Infliximab: Remicade auf Remsima Nadine Tröbitscher, 15.02.2017 14:59 Uhr
So wie Generika vor 40 Jahren kritisch beäugt wurden, haben es derzeit Biosimilars schwer. Weil die biotechnologisch hergestellten Wirkstoffe nicht 1:1 identisch mit dem Referenzprodukt sind, tun sich manche Ärzte schwer. Jetzt kommt Rückendeckung von einer der führenden internationalen Fachgesellschaften: Die European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO) befürwortet einen Switch von Remicade (Infliximab, MSD Sharp & Dohme) auf Nachahmerprodukte wie Remsima (Mundipharma) und Inflectra (Pfizer).
Biosimilars sind Nachahmerprodukte biotechnologisch erzeugter Wirkstoffe auf Basis von Proteinen, die nach dem Patentablauf zugelassen werden können. Da sich die Herstellungs- und Aufbereitungsverfahren unterscheiden, können Original und Nachahmer innerhalb gewisser Grenzen voneinander abweichen. Wissenschaftler sprechen von Mikroheterogenitäten.
Entscheidend ist die Aminosäurefrequenz des Biosimilars, sie muss mit dem Original identisch sein. Für die Zulassung sind eigene Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit notwendig. Die Hersteller dürfen sich – anders als bei einem Generikum – nicht auf die pharmakologischen und klinischen Studien des Originalanbieters beziehen. Allerdings ist das Studienprogramm etwas kleiner. Ein eigenes Herstellungsverfahren muss ebenfalls entwickelt und etabliert werden. Aus diesem Grund mischen neben den großen Generikafirmen auch mehrere Originalhersteller mit.
Die rekombinanten therapeutischen Proteine sind im Vergleich zum Original günstiger. Krankenkassen haben Rabattverträge abgeschlossen. Die Techniker Krankenkasse (TK) wiederum belohnt Ärzte, wenn sie im Rahmen des Rheumavertrags Präparate von Partnerfirmen verordnen. Eine entsprechende Vereinbarung gibt es auch mit dem Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng). Finanziert wird das Ganze auch durch die Originalhersteller.
Der chimäre monoklonale Antikörper Infliximab kommt bei der Behandlung von Morbus Crohn, rheumatoider Arthritis, Colitis Ulcerosa, Psoriasis oder Psoriasis Arthritis zum Einsatz. Das Original Remicade ist als Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung erhältlich. Die Gabe dauert etwa zwei Stunden, für den Notfall müssen Adrenalin, Kortikoide, Antihistaminika und die Möglichkeit der künstlichen Beatmung bereit stehen. Nach sechs Wochen wird die Behandlung wiederholt. Ist ein Erfolg ersichtlich, wird alle acht Wochen eine Infusion vorgenommen.
Infliximab hemmt mit großer Affinität lösliche als auch transmembrane Formen von Tumor Nekrose Faktor alpha (TNF-alpha) in ihrer Funktionalität. Entzündungshemmende Botenstoffe, sogenannte Zytokine, können nicht mehr freigesetzt werden.
Bislang haben Pfizer mit Inflectra und Mundipharma mit Remsima entsprechende Biosimilars auf dem Markt. Beide Firmen sind Lizenznehmer des koreanischen Herstellers Celltrion. Im vergangenen Jahr hat Biogen mit Flixabi ein weiteres Konkurrenzprodukt auf den Markt gebracht. Pfizer musste sein noch in der Entwicklung befindliches Produkt auf Grund der Wettbewerbsauflagen an ein anderes Unternehmen abgeben. In dem Zuge ist das Entwicklungsprodukt an Sandoz übergegangen.
Das Gesundheitssystem könnte durch die Verordnung von Biosimilars finanziell entlastet werden. Mindestquoten scheinen ein wirksames Mittel zu sein. Ob ein Patient ein Biosimilar erhält, hängt laut Barmer auch davon ab, wo er wohnt. Die Biosimilarquoten differierten je nach Kassenärztlicher Vereinigung (KV) erheblich: Während die Ärzte in Bremen in 54,2 Prozent der Fälle Biosimilars verordnen, sind es laut Barmer im Saarland nur 27,4 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern weise für einen Wirkstoff gar eine „Null-Quote“ aus.
Für den Einsatz von Biosimilars macht sich die AG Pro Biosimilars, eine Arbeitsgruppe des Verbandes Pro Generika. Zu den Mitgliedern gehören die Biosimilarunternehmen Sandoz/Hexal, Mylan, Stada und Teva/Ratiopharm an. Mitmachen darf, wer in Deutschland Biosimilars entwickelt, herstellt oder auf den Markt bringt. Pro Biosimilars zufolge sollen Patienten besseren Zugang zu biopharmazeutischen Arzneimitteltherapien erhalten. Zugleich könnten Biosimilars die Versorgung langfristig bezahlbar für das System machen. Dafür sollten „faire und nachhaltige Wettbewerbsbedingungen für Biosimilars geschaffen werden“, fordert der Verband.
Remsima und Inflectra werden jetzt von der ECCO als Austausch zu Remicade bei CED befürwortet. Die Fachgesellschaft nimmt in ihrer Entscheidung Bezug auf die NOR-Switch Studie. Inflectra stand im Ergebnis dem Original Remicade ebenfalls um nichts nach und kann nicht als minderwertig angesehen werden. Die Stellungnahme ist ein Richtungswechsel gegenüber früheren Empfehlungen und wurde im Journal of Crohn`s and Colitis veröffentlicht. Zunehmende Evidenz und das gestiegene Vertrauen der Ärzte in die Substanzen spiegeln die positive Stellungnahme wider. Das Umstellen vom Original auf ein Biosimilar bei Patienten mit CED ist in Studien bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit gesichert. Eine Umstellung sollte jedoch immer im Einverständnis von Patient, Arzt und Apotheker erfolgen.