Für den Menschen Plagegeister, für Fische, Vögel und Fledermäuse ein Leckerbissen: Stechmücken. Etwa von April bis Oktober dürstet es in Deutschland knapp 50 verschiedene Mückenarten nach Blut. In einem gemeinsamen Projekt erstellen das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) jedes Jahr einen Atlas, der das Auftreten der Mückenarten erfasst.
Die Mückenerfassung begann im April 2012. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes „Citizen Science“-Projekt: Jeder in Deutschland kann sich an der Datenerhebung beteiligen. Engagierte Mückenjäger schicken ihre „Beute“ per Post an die Experten der beteiligten Forschungszentren. Für das FLI untersucht Dr. Helge Kampen die eingesendeten Mücken nach ihrer Art und vermerkt ihren Fundort in einer Deutschlandkarte. Für das Jahr 2014 konnten mehr als 1250 Mückenfänge auf der Karte vermerkt werden.
Die Mückenforschung sei in Deutschland lange vernachlässigt worden, so Kampen. „Wir haben außerdem etwa 500 Mückenfallen überall in Deutschland aufgestellt“, erklärt Kampen. Auch diese würden regelmäßig geleert und die gefangenen Insekten untersucht.
Die Mückensaison dauert etwa von April bis Oktober, mit dem stärksten Vorkommen ist im August und September zu rechnen. Vereinzelt seien auch im November noch Mücken zu finden, dann besonders im Haus: „Dorthin ziehen sie sich zum Überwintern zurück“, erklärt Kampen.
Wie viele Mücken es in einer Saison gebe, sei sehr von den Wetterbedingungen abhängig. Regional könne es besonders im Frühjahr oder Herbst zu regelrechten Mückenplagen kommen. Gründe dafür sind laut Kampen die Schneeschmelze oder starke Regenfälle, nach denen es zu Überschwemmungen kommen kann. Mücken legten ihre Eier oft in Flussauen ab, so Kampen. Wenn die Wiesen mit den Eiern überschwemmt würden und es dann eine Weile warm sei, seien das ideale Schlüpfbedingungen für die Larven. In Trockenheitsphasen gebe es dagegen keine Mückenplagen.
„Daher können wir als Mückenforscher schlechter eine Mückenplage vorhersagen als etwa ein Meteorologe“, sagt Kampen. Stattdessen beschäftige er sich mit den einzelnen Mückenarten. Insgesamt gebe es in Deutschland davon etwa 50 verschiedene; die verbreitetste sei die Gemeine Hausmücke. „Die gibt es überall, besonders im Garten. Die Menschen „züchten“ sie sich selbst, in Regentonnen und Vogeltränken zum Beispiel.“
Zu den aggressivsten Arten gehöre die Anopheles plumbeus, die bis zum Zweiten Weltkrieg in Deutschland Malaria übertragen habe, sagt Kampen. Ebenfalls sehr schnell steche die Asiatische Tigermücke, eine invasive Art aus Südostasien, die das Dengue-Fieber übertragen kann. Ob diese sich aber bereits dauerhaft hierzulande angesiedelt habe, sei nicht klar.
Kampen nimmt an, dass die Mückenart den deutschen Winter nicht überstehen könne. Er vermutet stattdessen: „Die Mücken folgen deutschen Autoreisenden in Italien in ihr Fahrzeug. Sind die Türen zu, müssen die blinden Passagiere bis zum nächsten Rastplatz mitfahren und verlassen dann erst in Deutschland das Auto“, so Kampen.
Zwar seien einige der deutschen Arten auch in der Lage, Krankheiten zu übertragen. Allerdings habe es sich in den Fällen, in denen Mücken als Krankheitsüberträger nachgewiesen werden konnten, um Tierkrankheiten gehandelt, etwa ein Amselsterben in Baden-Württemberg im Jahr 2012. „Ob die Mücken auch humanpathogene Viren übertragen, konnten wir bislang nicht feststellen. Wir wissen es aber für andere europäische Länder, etwa Italien. Daher wollen wir das im Auge behalten“, erklärt Kampen.
Kampen sieht in Mücken auch etwas Positives: „Für Menschen sind Mücken zwar nervig. Aber sie sind ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette – und für Amphibien, Fische, Vögel und Fledermäuse eine wichtige Versorgungsquelle.“
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