Wissenschaftler am Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPI) haben einen neuen Angriffspunkt für die Bekämpfung des Darmbakteriums Clostridium difficile gefunden. Sie konnten zeigen, dass der Krankenhauskeim durch spezifische Glykanstrukturen auf seiner Oberfläche erkannt werden kann. Speziell entwickelte Antikörper befreiten in einer ersten Untersuchung erkrankte Tiere vom Erreger. Die identifizierten Epitope könnten außerdem die Basis für einen Impfstoff gegen das Darmbakterium legen.
Krankenhauskeime sind ein zunehmendes Problem in den Industrieländern, da sich vermehrt Antibiotikaresistenzen entwickeln. Das anaerobe Bakterium C. difficile ist eine der Hauptursachen von Infektionen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Dort werden bis zu 40 Prozent der stationären Patienten infiziert.
Ist die Bakterienflora der Erkrankten durch Behandlungen mit Antibiotika gestört, verbreitet sich C. difficile schnell im Darm. Die Folge sind Durchfall, Flüssigkeitsverlust und Darmentzündungen, die in schweren Fällen sogar bis zum Tod führen können. Da Resistenzen weiterhin stark ansteigen, werden dringend neue Therapien benötigt. Allein in den USA verursachen mehr als 250.000 Infektionen mit C. difficile jährlich mindestens 15.000 Todesfälle und Kosten von über einer Milliarde Dollar.
Forscher des MPI haben jetzt monoklonale Antikörper gegen Glykan-Strukturen auf der Oberfläche von C. difficile entwickelt. Die Zielstruktur der Antikörper ist ein Polysaccharid, welches in sehr vielen Clostridium-Stämmen gefunden wird. Es trägt den Namen PS-I. Um herauszufinden, welche Teile des Zuckers eine Immunantwort hervorrufen können, synthetisierten die Forscher zunächst kleine Untereinheiten des Saccharids, um passende Epitope zu finden.
Verschieden große Untereinheiten von PS-1 wurden anschließend genauer untersucht und spezifische Antikörper gegen die Glykan-Einheiten entwickelt. Das Ergebnis: Die entwickelten Substanzen konnten eine Clostridium-Infektion in Mäusen verhindern. Die Antikörper zeigten sich auch im Organismus als hochselektiv – andere Bakterien wurden nicht angegriffen.
Mehr noch: Die Identifizierung von Glykan-Einheiten, die eine Immunantwort hervorriefen, können jetzt zur Entwicklung von möglichen Impfstoffen verwendet werden. Eine Mischung aus fünf verschiedenen Oligosachhariden, die verschiedene Strukturen von PS-1 imitieren, rief in Mäusen eine schwache, aber hochspezifische Immunantwort hervor. Die gebildeten Serum-Antikörper konnten anschließend C. difficile in Schach halten.
Der neue therapeutische Ansatz soll breit anwendbar sein, so die Hoffnung der Forscher. Da PS-1 bei Unterarten von C. difficile weit verbreitet ist, andere Darmbakterien die Struktur aber nicht aufweisen, soll die natürliche Darmflora durch die Anwendung der Antikörper nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Dadurch kann das Risiko eines erneuten Auftretens des pathogenen Keimes vermindert werden.
Die publizierten Ergebnisse sehen die Forscher als Grundlage für die Entwicklung weiterer neuartiger Therapeutika. „Die Ergebnisse sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Grundlagenforschung mithilfe des Studiums der menschlichen Immunantwort gegen Glykane zu neuen Kandidaten für den Kampf gegen einen der schlimmsten Krankenhauskeime führen kann“, sagt Professor Dr. Peter Seeberger, leitender Wissenschaftler und Direktor der Abteilung Biomolekulare Systeme.
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