Generika

Hunderte Zulassungsstudien gefälscht?

, Uhr
Berlin -

Mehr als hundert Generika droht womöglich der Entzug ihrer Zulassung. Hintergrund sind offenbar gefälschte Bioäquivalenzstudien des indischen Dienstleisters GVK Biosciences. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüfen derzeit die Zulassungen der Präparate. Betroffen sind auch Hexal und Betapharm.

Generikahersteller müssen für die Zulassung ihrer Produkte die Bioäquivalenz zum jeweiligen Originalpräparat nachweisen. In der Regel übernehmen Dienstleister diese Untersuchungen, die auch an Menschen durchgeführt werden. GVK ist auch auf solche Arbeiten spezialisiert.

Bereits im Mai hatte die französische Arzneimittelbehörde ANSM neun Studien von GVK aus den Jahren 2008 bis 2014 genauer unter die Lupe genommen. Die Behörde entdeckte in allen Unterlagen gefälschte Elektrokardiogramme. Dadurch seien Zweifel an der Echtheit der klinischen Daten geweckt worden, heißt es bei der EMA. Die ANSM habe daher entschieden, dass die Studien nicht der Guten Klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) entsprechen und nicht Grundlage für Zulassungen sein können.

Nach Informationen der EMA wurden die Daten durch mindestens zehn verschiedene Personen gefälscht. Das systematische Vorgehen, der lange Zeitraum und die Zahl der beteiligten Mitarbeiter haben demnach kritische Mängel bei GVK aufgezeigt und auch die Glaubwürdigkeit anderer Studien des Dienstleisters infrage gestellt. Die EMA prüft derzeit auch Studien, die vor 2008 erstellt worden waren.

Die EMA wollte von zahlreichen Herstellern wissen, ob und bei welchen Arzneimitteln sie GVK mit entsprechenden Studien beauftragt haben. Die betroffenen Unterlagen werden nun geprüft. Die EMA will anschließend entscheiden, ob die Zulassungen erhalten bleiben oder geändert, ausgesetzt oder sogar widerrufen werden müssen.

In Deutschland sind nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung mehr als 100 Zulassungen betroffen. Parallel zur EMA prüft das BfArM demnach die Unterlagen von Arzneimitteln, die national zugelassen wurden. Ein BfArM-Sprecher bestätigte, dass es Untersuchungen gebe, machte aber keine Angaben über betroffene Medikamente oder Unternehmen.

Den Recherchen zufolge sind unter anderem Hexal und Betapharm betroffen. Hexal hat einem Sprecher zufolge eine Studie für das Antiallergikum Fexofenadin bei GVK in Auftrag gegeben. In Holzkirchen ist man optimistisch, das Produkt nicht vom Markt nehmen zu müssen: Zum einen sei die Studie bereits 2005 angefertigt worden, zum anderen gebe es eine zweite Studie von einem anderen Institut aus dem vergangenen Jahr, die die Bioäquivalenz bestätigt habe.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die erste Studie gefälscht worden sei, hält man bei Hexal daher für sehr gering. „Wir haben keinerlei Hinweise, dass die Studie, die der Zulassung zugrunde liegt, manipuliert wurde“, so der Sprecher. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Präparats seien belegt.

GVK Biosciences ist nach eigenen Angaben einer der größten Anbieter für Auftragsforschung in Asien. Der Dienstleister beschäftigt 2400 Mitarbeiter und hat mehr als 300 Kunden, darunter auch Konzerne, die unter den Top 10 der Branche sind.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) forderte eine Verstärkung der Inspektionen vor Ort durch europäische und nationale Behörden. „Es müssen umgehend Maßnahmen bis hin zu einer Suspendierung der Zulassung eingeleitet werden, um Risiken für Patienten zu vermeiden“, so AMK-Chef Professor Dr. Martin Schulz.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen
Salbutamol: Versorgungslage ab Januar unklar
Salbutamol, Clarithromycin, Sultamicillin – Verfügbarkeit unter 50 Prozent
Ibuprofen-Zäpfchen: Bedarf kann nicht gedeckt werden
Mehr aus Ressort
Pankreatitis als Nebenwirkung
Mounjaro: Tod nach Abnehmspritze
Novo Nordisk veröffentlicht Studienergebnisse
CagriSema: Enttäuschende Ergebnisse für Ozempic-Nachfolger

APOTHEKE ADHOC Debatte