Chronische Schmerzen

Importine: Neuer Ansatz für die Schmerztherapie

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Berlin -

Für die Schmerztherapie stehen mittlerweile verschiedenste Wirkstoffe und Ansätze zur Verfügung. Dennoch haben Schmerzpatienten häufig einen langen Leidensweg vor sich. Die Wissenschaft sucht daher noch immer nach neuen, wirksamen Alternativen. Forscher des Weizmann-Instituts für Wissenschaften (WIS) und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin haben einen möglichen neuen Therapieansatz gefunden.

Schmerzen kennt fast jeder Mensch. Dabei wird grundsätzlich zwischen akuten und chronischen Schmerzen unterschieden. Unter letzteren leidet etwa ein Viertel der Weltbevölkerung im Laufe des Lebens mindestens einmal. Die Folge können neben körperlichen Einschränkungen auch psychische Beschwerden sein, bis hin zur Medikamentenabhängigkeit.

Von den Neuronen ins ZNS

Der Ursprung von Schmerz sitzt in den sensorischen Neuronen. Von dort aus wird das Signal an das Zentralnervensystem (ZNS) weitergeleitet. Bei chronischen Schmerzen liegen meist Schädigungen der Neuronen oder Krankheiten vor, die dazu führen, dass kontinuierlich Schmerzsignale ausgesendet werden.

Das WIS untersucht Moleküle, die die biomolekularen Informationsübertragungen innerhalb der Nervenzellen regulieren, sogenannte „Importine“. Sie befinden sich in jeder Zelle und erleichtern dort den Transport zwischen Zellkern und Zytoplasma, schleusen Moleküle in den Zellkern und aus dem Zellkern heraus und kontrollieren somit den Zugang zu den Genen. Einige Importine sind in der Lage Informationen über Verletzungen an den Zellkörper der Nervenzelle weiterzuleiten und so einen Heilungsprozess auszulösen.

Blockade des Importins als Therapie?

Um das an der Entstehung von chronischen Schmerzen beteiligte Importin zu finden, nahmen sich die Forscher Mäuse zur Hilfe. Sie wurden genetisch so verändert, dass in jeder Linie eines der Importine fehlt. Bei Verhaltensanalysen der verschiedenen Linien zeigte sich schließlich, dass das „Importin alpha-3“ als einziges Importin an der Steuerung der Schmerz-Signalwege beteiligt ist.

In einem weiteren Schritt suchte das Team nach Genexpressionsmustern, die mit langanhaltenden Schmerzen in peripheren Nervenzellen in Verbindung gebracht werden. Anschließend sollte der Einfluss von Importin alpha-3 ermittelt werden. Es wurden Expressionsmuster von „normalen“ Neuronen und Neuronen ohne Importin alpha-3 analysiert. Dabei wurden die Forscher auf ein Protein aufmerksam, welches vom Importin in den Zellkern geschleust wird: „c-Fos“ zählt zu den Transkriptionsfaktoren, es hat Einfluss auf die Expression zahlreicher Gene und kann diese erhöhen oder senken. Bei Mäusen mit chronischen Schmerzen kam es zu einer Ansammlung von C-Fos im Zellkern der peripheren Nervenzellen.

Mithilfe von speziellen Viren konnten die Forscher Importin alpha-3 oder c-Fos in den Nervenzellen der Mäuse deaktivieren. Dadurch kam es bei den Tieren zu einer deutlich verringerten Reaktion auf die chronischen Schmerzen. Die Blockade des Importins könnte daher eine mögliche neue Therapieoption für chronische Schmerzen darstellen.

Um ihre Vermutung zu untermauern, suchten die Wissenschaftler mithilfe einer speziellen Datenbank nach Medikamenten, die möglicherweise Einfluss auf den Importin-alpha-3-c-Fos-Signalweg nehmen. Bei knapp zwei Dritteln der Präparate war die schmerzlindernde Wirkung bis dahin unbekannt. Zwei der Substanzen wurden schließlich an den Mäusen getestet – sowohl ein kardiotonisches Mittel wie auch ein Antibiotikum zeigten positive Wirkungen auf die chronischen Schmerzsymptome.

Bekannte Wirkstoffe könnten schmerzstillendes Potenzial haben

„Die Präparate, die wir im Rahmen dieser Datenbankrecherche identifiziert haben, sind eine Art Schnellspur – ein Beweis dafür, dass bereits für andere Leiden zugelassene Medikamente wahrscheinlich auch zur Behandlung von chronischen Schmerzen eingesetzt werden können“, erklärt Studienautorin Letizia Marvaldi. „Da diese Präparate nachweislich für den Menschen ungefährlich sind, könnten klinische Versuche zeitnah aufgenommen werden.“

Professor Mike Fainzilber von der Abteilung für biomolekulare Wissenschaften am WIS erklärt die Bedeutung der Entdeckung: „Wir sind jetzt in der Lage, nach neuen und besseren Wirkstoffmolekülen zu suchen, die ihre Wirkung exakt an dieser Ereigniskette in den sensorischen Neuronen entfalten. Solche Zielmoleküle könnten geringere Nebenwirkungen haben und weniger Abhängigkeiten hervorrufen als aktuelle Therapien, und sie könnten neue Chancen bieten, chronische Schmerzen erträglicher zu machen.“

 

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