Ärzte können Krebs mit Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung direkt bekämpfen. Doch es gibt eine weitere Methode, hinter der ein etwas anderer Ansatz steckt. Dabei wird das körpereigene Immunsystem dazu gebracht, selbst gegen Krebszellen vorzugehen. Vor wenigen Jahren noch wurde diese Immuntherapie als „aufregender neuer Weg in der Krebsbehandlung“ und „die Zukunft“ gefeiert. Das habe sich bestätigt, sagt Professor Dr. Stephan Grabbe, Leiter des heute beginnenden Deutschen Hautkrebskongresses. „Beim Schwarzen Hautkrebs ist es eine der Standardtherapien geworden.“
Bei dem dreitägigen Kongress in Mainz sollen „neue Meilensteine in der Immuntherapie“ präsentiert werden. Schon jetzt sei sie beim Schwarzen Hautkrebs von den Effekten und der Verträglichkeit her der Chemotherapie weit überlegen, sagt Grabbe, der Direktor der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist. Auch bei Lungenkrebs und anderen Hautkrebsarten sei die Forschung vielversprechend, etwa bei hellem Hautkrebs und dem Merkelzellkarzinom. In der Onkologie – der Wissenschaft, die sich mit Krebs befasst – sei die Immuntherapie „einer der Megatrends“.
Generell kann die Immunabwehr des Körpers Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden. Es geht dann zum Angriff über. Das System wirkt jedoch oft zu ineffizient und attackiert die aus dem Ruder gelaufenen Zellen nicht entschieden genug, um einen Tumor tatsächlich wieder verschwinden zu lassen. Forscher versuchen bei der Immuntherapie deshalb, die körpereigene Abwehr im Kampf gegen Tumore deutlich zu verstärken.
Am weitesten entwickelt ist die sogenannte Checkpoint-Inhibitor-Therapie. Sie basiert darauf, dass sogenannte T-Zellen des Immunsystems Tumore gewöhnlich nur kurz angreifen, bevor sich die Reaktion wieder abschwächt. Ein Grund für diese
Immuntoleranz sind molekulare Bremsen auf den T-Zellen – die sogenannten Checkpoints. Diese sollen eigentlich eine überbordende Immunreaktion verhindern, kommen aber auch Tumoren zugute. Nun gibt es Verfahren, die diese Brems- und Kontrollproteine auf den T-Zellen blockieren – damit ist die Bremse gelöst.
2011 wurde das erste Immuntherapeutikum zugelassen, 2015 folgten zwei weitere. Seit dem vergangenen Jahr würden sie auch kombiniert – „mit einer Zunahme an Effektivität“, sagt Grabbe. Mittlerweile werde an Dutzenden von Molekülen geforscht, welche die Immunabwehr des Körpers gegen den Krebs richteten.
Der Schwarze Hautkrebs, auch malignes Melanom genannt, geht meist auf eine intensive Einwirkung von Sonnenlicht zurück. „Das Melanom ist die Tumorart mit den meisten Mutationen in den Tumorzellen“, erklärt Professor Dr. Jochen Utikal, Leiter der klinischen Kooperationseinheit Dermato-Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und an der Universitätsmedizin Mannheim. Deswegen ist das Melanom besonders geeignet für die Immuntherapie: Das Immunsystem erkennt einen Tumor
mit vielen Mutationen besser als einen mit wenigen.
Die Therapie erfolgt über Antikörper. Das heißt, alle zwei oder drei Wochen wird ein Wirkstoff ambulant als Infusion verabreicht. Das
funktioniert aber nicht immer. „Eine langfristige Tumorkontrolle kann bei etwa der Hälfte der Patienten erreicht werden“, sagt Grabbe. Und das Verfahren ist keineswegs frei von Risiken. Denn ist die körpereigene Abwehr entfesselt, kann sie sich auch gegen gesundes Gewebe und Organe richten. „Das ist momentan ein großes Problem bei der Immuntherapie“, meint Grabbe. Ziel müsse es nun sein, nur noch den Teil des Immunsystems zu stimulieren, der den Tumor erkenne.
Unter anderem in Mainz wird derzeit an der personalisierten Immuntherapie geforscht. Hierbei wird für jeden Patienten ein
individuelles Mittel hergestellt, das auf die jeweiligen Mutationen im Erbgut des Tumors passt. Zuvor sei lediglich auf bestimmte, bereits bekannte Marker gesetzt worden, erklärt Grabbe. Jüngst wurden dazu mehrere wissenschaftliche Artikel veröffentlicht - wobei sich die bei den Studien eingesetzten Mittel als vielversprechend und gut verträglich erwiesen.
Gerade die Kombination aus gezielter und ungezielter Immuntherapie sei besonders wirksam und besonders verträglich. „Prinzipiell kann man das bei jedem Tumorpatienten machen, egal um was für einen Tumor es sich handelt“, sagt Grabbe. „Nun müssen wir schauen, ob die Therapie wirklich so gut wirkt, wie wir uns das erhoffen.“
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