Krebsmedikamente

Immuncheckpoint-Inhibitoren: Wiederkehrende Nebenwirkungen Alexandra Negt, 02.10.2020 12:14 Uhr

Unter der Anwendung von Immuncheckpoint-Inhibitoren kommt es häufig zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Wird die Therapie nach einem Abbruch wiederaufgenommen, kann sich das Ereignis wiederholen. Foto: Alpha Tauri 3D Graphics/ Shutterstock.com
Berlin - 

Die Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren bei Krebserkrankungen ist häufig von unerwünschten Arzneimittelwirkungen begleitet. Besonders häufig treten immunbezogene Nebenwirkungen auf. Diese können so schwer sein, dass die Therapie zunächst abgebrochen wird. Ist das immunbezogene Vorkommnis überstanden, ist eine Wiederaufnahme der Therapie möglich. Untersuchungen zeigen, dass es bei rund einem Viertel der Patienten wieder zu immun-bezogenen unerwünschten Ereignissen kommt. Bei rund 30 Prozent tritt exakt dasselbe Ereignis ein.

Immuncheckpoint-Inhibitoren werden meistens in der Onkologie eingesetzt. Durch die Hemmung von Immuncheckpoints wird die immunologische Eigentoleranz modifiziert. Die körpereigene Abwehr des Immunsystems auf das Tumorgewebe wird gesteigert. Im Gegensatz zu anderen Chemotherapeutika ist die Wirkung der Immuncheckpoint-Inhibitoren oftmals nicht dauerhaft – durch Mutation und Selektion können neue Tumorzellen entstehen, die die Inhibitoren umgehen können.

Grob lassen sich drei Gruppen von Checkpoint-Inhibitoren unterscheiden: CTLA-4-Inhibitoren, PD-1-Inhibitoren und PD-L1-Inhibitoren. Zu den aktuell verfügbaren Wirkstoffen gehören unter anderem: Atezolizumab, Avelumab, Cemiplimab, Durvalumab, Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab, Spartalizumab und Tremelimumab.

Nebenwirkungen

Krebspatienten weisen unter Therapie mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor häufig immun-bezogene unerwünschte Ereignisse auf, die durch eine Therapieunterbrechung und Steroid-Therapie zumeist wieder abklingen. Zu den sehr häufigen und häufigen Nebenwirkungen der Checkpoint-Inhibitoren gehören: Pneumonie, Dyspnoe und Husten, trockener Mund, Kopfschmerzen, Schwindel, Lethargie, Thrombozytopenie, Lymphopenie und Anämie, Schlaflosigkeit, gastrointestinale Beschwerden, Hypothyreose oder Hyperthyreose, periphere Neuropathien, Hautauschlag, Vitiligo, Hypertonie, Ödeme und Fieber begleitet von Schüttelfrost.

Wird eine Therapie aufgrund der Nebenwirkungen vorerst abgebrochen und später wieder aufgenommen, besteht das Risiko, dass sich das gleiche unerwünschte Ereignis wiederholt. Die unter Umständen schwer bis tödlich verlaufenden gleichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen treten bei bis zu 30 Prozent der Patienten erneut auf, das konnte nun eine Kohortenstudie zeigen, die als Basis die Datenbank VigiBase nutzt.

 

VigiBase hat Daten aus den Jahren 1967 bis 2019 gespeichert. In diesen Jahren wurden mehr als 20 Millionen unerwünschte Ereignisse gemeldet. Die Meldungen stammen aus über 130 Ländern, die am WHO-Programm „International Drug Monitoring“ teilnehmen. Nicht alle Ereignisse beziehen sich auf immun-bezogene Nebenwirkungen aufgrund von Checkpoint-Inhibitoren – diese Wirkstoffgruppe ist noch relativ neu und erst seit wenigen Jahren verfügbar. Die Auswertung verfolgt somit einen retrospektiven Ansatz.

Konsekutiv eingeschlossen wurden alle gemeldeten immun-bezogenen unerwünschten Ereignisse, die mit einer Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie verbunden waren. Hierzu gehörten die Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab, Pembrolizumab und Cemiplimab. Die Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab, Avelumab und Durvalumab und die beiden CTLA-4-Antikörper Ipilimumab und Tremelimumab. Klassifiziert wurden die einzelnen Therapien folgendermaßen: Anti-PD-1 oder Anti-PD-L1-Monotherapie, Anti-CTLA-4-Monotherapie oder als Kombinationstherapie mit Anti-PD-1 oder Anti-PD-L1 und Anti-CTLA-4. Die Einstufung der Ereignisse erfolgte in „nicht-schwerwiegend“ oder „schwerwiegend“ gemäß den WHO-Kriterien. Der primäre Endpunkt war die Rezidivrate des gleichen immun-bezogenen Ereignisses nach Wiederaufnahme der Therapie.

20 Millionen unerwünschte Ereignisse

Von den über 20 Millionen dokumentierten unerwünschten Ereignissen innerhalb der Datenbank wurden 24.079 in Zusammenhang mit einer Immuncheckpoint-Inhibitor-Therapie gebracht. Die erste Meldung stammt aus dem Jahr 2006. Die Zeitspanne bis zum Auftreten einer Nebenwrikung war sehr unterschiedlich. So trat eine Myokarditis im Mittel nach vier Wochen auf, ein Diabetes durchschnittlich erst nach einem Vierteljahr. Besonders hoch war der Anteil der schwerwiegenden Nebenwirkungen: Von den 24.079 Ereignissen wurden 23.578 als schwer eingestuft – 2680 Ereignisse, also 11,4 Prozent, verliefen tödlich. Von den 24.079 Ereignissen konnten 6123 auf eine wiederaufgenommene Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren zurückgeführt werden, das entspricht einem Anteil von ungefähr 25 Prozent. 452 der 6123 Patienten bekamen erneut ein immun-bezogenes unerwünschtes Ereignis nach Wiederaufnahme der Therapie. Bei 130 dieser 452 Patienten (28,8 Prozent) trat das gleiche Ereignis wie zuvor auf.