Oxytocin wirkt schmerzlindernd Dr. Kerstin Neumann, 09.03.2016 14:04 Uhr
Oxytocin besitzt eine analgetische Wirkung. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg (MPI) herausgefunden. Eine kleine Population an Nervenzellen koordiniert demnach die Freisetzung des Hormons bei Schmerzen. Die Folge ist eine doppelte Schmerzlinderung über das Zentralnervensystem und über die Peripherie.
Oxytocin wird umgangssprachlich auch als das „Kuschelhormon“ bezeichnet. Das kleine Molekül ist unter anderem an der Entstehung von Gefühlen wie Vertrauen und Liebe beteiligt. Vor allem wird das Hormon mit den Geburtsvorgängen in Verbindung gebracht: Oxytocin löst eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur aus und leitet die Wehen ein. Außerdem ist das Hormon wichtig für eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind und für den Milcheinschuss der Mutter. Es reguliert zudem soziale Interaktionen im Allgemeinen.
Oxytocin wird ausschließlich von Nervenzellen im Hypothalamus produziert, die man aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe in zwei Typen unterteilen kann: Die großen Oxytocin-produzierenden Nervenzellen sind mit der Hirnanhangsdrüse verbunden, die das Hormon über Kapillaren ins Blut abgibt. Die kleinen Zellen hingegen sind mit dem Hirnstamm und den tiefen Regionen des Rückenmarks verknüpft. Warum die Verbindung mit dem Rückenmark existiert, war bislang ein Rätsel. Es wurde vermutet, dass sie wichtig für die Kontrolle des Herz-Kreislauf-Systems oder auch der Atmung sein könnte.
Offenbar spielt das Hormon aber auch eine Rolle bei der Schmerzlinderung. Die Forscher des MPI konnten zeigen, dass Ratten mit einem erhöhten Spiegel im Blut weniger stark auf Schmerzreize reagierten. Umgekehrt erhöhte eine Hemmung der Oxytocinwirkung das Schmerzempfinden. Als Mechanismus vermuten die Forscher eine Inhibierung von Neurotransmittern im zentralen Nervensystem.
Für die Freisetzung des Hormons spielt offenbar eine winzige Subpopulation der kleinen Oxytocin-produzierenden Neuronen eine Rolle, die bislang unbekannt war. Die kleine Gruppe von etwa 30 Zellen tritt bei akuten Schmerzen oder Entzündungen in Aktion. Sie aktiviert die großen Oxytocin-produzierenden Neuronen im benachbarten Hypothalamus. Das löst die Ausschüttung des Neuropeptids in die Blutbahnen aus und lindert dadurch diffus die Schmerzempfindung.
Gleichzeitig strecken sich die Zellen bis ins Rückenmark. Dort setzen sie Oxytocin genau an der Stelle des Zentralnervensystems frei, an der die Intensität der Schmerzwahrnehmung weitergeleitet wird. Dass die Subpopulation bei Schmerzen aktiv ist, verifizierten die Forscher mit optogenetischen Methoden: Die kleinen Zellen wurden gezielt mit Licht stimuliert. Dadurch wurde über beide Wege mehr Oxytocin ausgeschüttet.
Die Forscher gehen davon aus, dass es den neu entdeckten Zelltyp auch im menschlichen ZNS gibt. Vermutlich sei das menschliche Oxytocin-System aber komplexer und bestehe aus mehr als nur 30 Zellen, so die Forscher. Die Funktion dieser Zellen lasse sich im Menschen zudem nur schwer untersuchen. Trotzdem erhoffen sich die Wissenschaftler durch die Erkenntnisse neue Ansätze für die Entwicklung von Schmerztherapien.