Naturheilkunde in der Kinderonkologie

„Homöopathie gehört nicht in den Bereich der Naturstoffmedizin“

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Berlin -

„Aus empirischer Sicht ist die Wirkung homöopathischer Höchstpotenzen unbestritten und fixer Bestandteil der täglichen Praxis.” Bis vor Kurzem war dieser Satz auf der Website der Kinderonkologie der Berliner Charité zu lesen. Das führte zu heftiger Kritik, da die Wirkung dieser alternativmedizinischen Behandlungsmethode nicht dem Standard der evidenzbasierten Medizin entspricht. Professor Dr. Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie an der Charité äußerte sich zum Vorwurf. Gegenüber dem „Tagesspiegel” erklärte sie, warum Naturstoffe in der Krebstherapie eingesetzt werden können, aber Homöopathie keinen Platz findet.

Nach den Vorwürfen, für die Anwendung von Homöopathie bei krebskranken Kindern zu werben, grenzt sich die Klinik inzwischen davon ab. „Die Kinderonkologie orientiert sich bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit malignen Erkrankungen an den hohen Therapiestandards und Protokollen der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) sowie an weiteren internationalen pädiatrisch-onkologischen Fachgesellschaften. Die Therapieerkenntnisse sind evidenzbasiert. Die Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie distanziert sich von der Meinung, dass Homöopathie in der kinderonkologischen Primärtherapie einen Platz hat”, heißt es jetzt auf der Website. „Die Nachforschungen haben ergeben, dass es sich um einen vergessenen Link zu einer alten Website handelte, der nicht korrekt gelöscht wurde”, wird Eggert zitiert, die seit fünf Jahren die Klinik für Kinderonkologie leitet.

Sie ist der Meinung, dass es bei der Behandlung nicht nur um die Krebserkrankung selbst ginge, sondern auch um die belastende Situation für die Eltern und Geschwister und um die Nebenwirkungen, die eine Chemotherapie mit sich bringe. „In dieser Situation brauchen wir Konzepte, Patienten und Familien ganzheitlich zu betreuen, auch als Universitätsklinik.” Und in diesem Bereich spiele auch die Komplementärmedizin eine Rolle, beispielsweise bei Übelkeit oder Schleimhautentzündungen. So gebe es durchaus Naturstoffe, die derartige Nebenwirkungen mildern können, beispielsweise Arnika-Salbe gegen Entzündungen, Salbeitee bei Schleimhautentzündungen oder auch Umschläge zum Fiebersenken.

„Unser Anspruch ist, das wissenschaftlich genau so zu prüfen, wie eine Chemotherapie. Naturheilverfahren einzusetzen, weil alle glauben, dass es hilft, ist nicht unser Anspruch der Universitätsklinik. Das heißt, auch solche Begleittherapien prüfen wir in wissenschaftlichen klinischen Studien – genauso stringent aber auch genauso vorurteilsfrei wie bei jeder anderen Therapieform”, so Eggert. „Wenn die Studien dann hinreichend zeigen, dass diese Ansätze helfen, wenden wir sie auch an.” Sie ist überzeugt: „Wir dürfen dieses Feld nicht den Heilpraktikern überlassen”.

Oft wird im Alltag nicht differenziert zwischen Naturheilverfahren und Homöopathie. Das führt dazu, dass Laien die Begriffe fälschlicherweise gleichsetzen. Eggert stellt klar: „Homöopathie gehört nicht in den Bereich der Naturstoffmedizin. Weder wenden wir sie an, noch bieten wir sie an.” Aber erfahrungsgemäß würden Eltern immer wieder danach fragen, weil sie meinen, damit gute Erfahrungen gemacht zu haben, etwa bei der Behandlung von Bagatellerkrankungen. Doch mit dieser Verhaltensweise kann sich die Ärztin nicht anfreunden: „Wir halten es nicht für sinnvoll, dass Eltern ohne Rücksprache irgendetwas geben, weil sie Angst haben, mit uns darüber zu sprechen. Denn es gibt auch Behandlungen, die schaden können”. Sie nennt in diesem Zusammenhang als Beispiel die vermeintlich harmlose Gabe eines Multivitaminsafts, der allerdings „unerwünschte Wechselwirkungen mit dem Chemotherapie-Wirkstoff Methotrexat auslöst”.

Homöopathische Mittel und einige pflanzliche Therapien werden trotz fehlender oder geringer wissenschaftlicher Evidenz dennoch häufig eingesetzt. „Wir beobachten [...], dass manche Familien daraus Kraft schöpfen. Man kann das als Placebo-Effekt bezeichnen, aber ich glaube, es ist auch Resilienzförderung”, so die Direktorin. Diese Wirkung dürfe man nicht unterschätzen, auch wenn sie vermutlich nie über Belege nachgewiesen werden könne. Sie ergänzt: „Aber wichtig und richtig ist, was subjektiv dem Kind und der Familie hilft – wohlgemerkt immer nur zusätzlich zur Standardbehandlung und solange es nicht schadet.”

Ihrer Ansicht nach sei es durchaus die Aufgabe von Universitätskliniken, komplementärmedizinische Therapiekonzepte wie Akupunktur gegen Chemotherapie-induzierte Übelkeit wissenschaftlich zu prüfen. Es könne dabei zwar herauskommen, dass allein der Placebo-Effekt eine Rolle spiele. Manchmal zeige sich aber, dass signifikant weniger Übelkeitsanfälle in der behandelten Gruppe vorkommen. „Wenn das so ist, warum soll man das dann nicht anbieten?” Die essenzielle Frage sei: Warum sind Patienten so empfänglich für diese Richtung der Heilverfahren? Eggert zufolge könnte es daran liegen, dass Heilpraktiker sich viel Zeit für den Patienten nehmen. Sie fragt sich: „Könnte es nicht sein, dass in unserem Gesundheitssystem, in dem es immer mehr um ökonomische Effizienz geht, diese Zeit für Zuwendung verloren gegangen ist und dadurch der Bedarf an „Alternativen” erst ausgelöst wurde?”

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