Holsten bringt Milnacipran APOTHEKE ADHOC, 09.06.2020 12:12 Uhr
Holsten Pharma hat ein neues Mittel zur Behandlung von Depressionen auf dem Markt: Der Wirkstoff Milnacipran zählt zu den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmern (SNRI) und soll eine duale und gut verträgliche Wirkung im Vergleich zu anderen Antidepressiva mit sich bringen. Bisher ist der Wirkstoff nur von einem Hersteller auf dem Markt.
Milnacipran gehört zur Gruppe der SNRI, weitere Vertreter sind beispielsweise Duloxetin, Venlafaxin und Maprotilin. Sie alle zählen – gemeinsam mit Selektiven-Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) wie Sertralin, Fluoxetin, Paroxetin und Citalopram sowie Trizyklika wie Amitriptylin und Trimipramin – zu den sogenannten „Antidepressiva der dritten Generation“.
SNRI besser als SSRI
Milnacipran soll dabei die Vorteile der SSRI und Trizyklika vereinen – es soll hochwirksam, aber gleichzeitig gut verträglich sein. Beim Absetzen soll es zudem nahezu keine Rückfallsymptome aufweisen, erklärt Professor Dr. Hans-Peter Volz, ärztlicher Direktor des Krankenhauses für Psychiatrie und Psychosomatik Schloss Werneck. Das gute Profil von Milnacipran soll auf der dualen Funktion bei der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin beruhen: Neben Serotonin, welches vor allem gegen depressive Stimmungen wirkt, wird auch der Neurotransmitter Noradrenalin beeinflusst, welcher sich positiv auf Konzentrationsstörungen und mangelnde Motivation auswirkt.
„Nach neueren Erkenntnissen führt die duale Wirkung zu einer Überlegenheit der SNRI gegenüber den SSRI“, erläutert der Hersteller Holsten. Dies sei vor allem der Fall, wenn die Wiederaufnahme der beiden Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin etwa zu gleichen Teilen jeweils 100-prozentig gehemmt werde. Zwar erreiche auch Milnacipran diesen Idealfall nicht, der Wirkstoff komme dem aber näher als andere bekannte Antidepressiva: Studien zufolge liegt der Wert der Wiederaufnahmehemmung für Serotonin bei 100 Prozent, für Noradrenalin sind es 62 Prozent. Andere Antidepressiva erreichen geringere Werte für die Wiederaufnahmehemmung in Bezug auf Noradrenalin – bei Duloxetin sind es beispielsweise nur 10,6 Prozent, bei Venlafaxin sogar nur 3,3 Prozent. Um mit diesen Substanzen den gewünschten Effekt zu erzielen, muss dann entsprechend höher dosiert werden.
Weniger Nebenwirkungen, leichteres Absetzen
Die Wirksamkeit von Milnacipran sei ähnlich gut wie die der klassischen Trizyklika, die Verträglichkeit sei jedoch wesentlich besser. Zusätzlich gestalte sich auch das oft problematische Absetzen von Antidepressiva besser: Ein abruptes Ende führt häufig zu massiven Entzugserscheinungen oder Rückfallsymptomen. Daher werden die meisten Wirkstoffe über einen längeren Zeitraum ausgeschlichen, um derartige Beschwerden zu vermeiden. Milnacipran soll auch hier Vorteile mit sich bringen: Studien zufolge weist der Wirkstoff selbst bei abruptem Absetzen ein geringeres Risiko hinsichtlich Entzugserscheinungen und Rückfallquoten auf. Bei Paroxetin lägen die festgestellten Absetzerscheinungen beispielsweise 18,4 Mal höher, da der Wirkstoff als einziger SSRI eine hohe Affinität für muskarinerge Rezeptoren besitzt, ähnlich wie es bei trizyklischen Antidepressiva der Fall ist.
Aufgrund der guten Wirksamkeit und Verträglichkeit komme es bei Milnacipran zu weniger Therapieabbrüchen. Viele Antidepressiva gehen mit starken Nebenwirkungen wie Benommenheit und Schläfrigkei einher. Bei Milnacipran sind diese unerwünschten Wirkungen seltener, dennoch kann es zu Mundtrockenheit, Schweißausbrüchen oder Verstopfung kommen. Langzeitnebenwirkungen oder unerwünschte Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wurden in den Studien nicht beobachtet. Der Wirkstoff wird nicht über Cytochrom P-450 metabolisiert – daher treten keine CYP-abhängigen pharmakokinetischen Interaktionen auf. Vor allem bei älteren Patienten mit einer breitgefächerten Medikation kann dies ebenfalls von Vorteil sein.
„Betrachtet man die bisherigen Ergebnisse der Studien, lässt sich feststellen, dass Milnacipran anderen Antidepressiva in vielerlei Hinsicht überlegen ist. Der Wirkstoff ist speziell für Patienten geeignet, die zuvor aufgrund starker Nebenwirkungen ihre Behandlung mit anderen Antidepressiva noch in der akuten Phase der Depression abbrechen mussten und nun dem Risiko von Entzugserscheinungen und Rückfallsymptomen ausgesetzt sind“, erläutert Volz.
Konkurrenz für Neuraxpharm
Holsten ist jedoch nicht der erste Hersteller, der den Wirkstoff auf den Markt bringt. Neuraxpharm hat bereits ein entsprechendes Präparat im Sortiment: Milnaneurax ist ist den Stärken 25 mg und 50 mg in Packungsgrößen zu je 20, 50 und 100 Hartkapseln erhältlich. Holsten zieht mit gleichen Stärken und Packungsgrößen nach. Preislich liegt Neuraxpharm etwa über Holsten: Die 100er-Packungen von Holsten kosten 44,97 Euro (25 mg) beziehungsweise 79,87 Euro (50 mg), bei Neuraxpharm sind es 48,36 Euro und 84,41 Euro.