HIV-Therapie

Antabus weckt Viren auf

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Berlin -

Das Entwöhnungsmittel Antabus (Disulfiram) könnte zukünftig eine wichtige Hilfe im Kampf gegen das HI-Virus werden. Forscher der Universität Melbourne haben herausgefunden, dass der Wirkstoff in der Lage ist, inaktive Viren im Körper „aufzuwecken“. Damit werden die Viren Angriffspunkt für antiretrovirale Medikamente und können eliminiert werden. Mit der Strategie könnten HIV-Infizierte möglicherweise endgültig geheilt werden.

Viren sind Überlebenskünstler: Sie entwickeln nicht nur Resistenzmechanismen gegen die Medikamente, die sie bekämpfen sollen, sondern lagern sich auch im Körper ein. Über Monate hinweg können sich solche latent infizierten Zellen im Organismus befinden, ohne dass weitere Zellen befallen werden. Doch nur in der aktiven Phase sind die Viren mit Gegenmitteln zu bekämpfen – denn alle derzeit bekannten antiviralen Medikamente greifen in den Replikationsmechanismus ein. Vermehren die Viren sich nicht, können sie auch nicht angegriffen werden werden.

Gut bekannt ist dieses Phänomen bei Herpesinfektionen. Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) sind mehr als 85 Prozent der deutschen Bevölkerung mit dem Herpes-Erreger HSV-1 infiziert – der Großteil merkt es nicht einmal. Die Herpesviren schlummern überwiegend tief im Nervensystem. Erst durch Einflüsse wie Stress, Sonnenlicht oder Hormonschwankungen werden sie aktiv; dann kommen die unangenehmen Bläschen des Herpes labialis zum Vorschein.

Auch vom HI-Virus sind solche „Schläfer“ bekannt – und ein großes Problem, um die Eindringlinge endgültig aus dem Körper zu vertreiben. Die Strategie, die schlafenden Viren zu aktivieren und dann mit den vorhandenen Medikamenten zu bekämpfen, wird von Forschern intensiv verfolgt. Vor allem die sogenannten Inhibitoren der Histon-Deacetylase (HDAC) wurden als hoffnungsvolle Kandidaten gehandelt. Bisher scheiterten die Versuche aber immer an der Toxizität der verwendeten Wirkstoffe: Die Nebenwirkungen für die Patienten waren zu schwer.

Mit Antabus scheint das Problem nun gelöst zu sein. Das Forscherteam um Dr. Sharon Lewin untersuchte den Effekt des Mittels in einer Phase-I/Phase-II-Studie mit 30 HIV-Infizierten. Alle Studienteilnehmer hatten seit drei Jahren keine nachweisbare Viruslast mehr aufgewiesen. Zusätzlich zur antiretroviralen Therapie erhielten sie nun für drei Tage entweder 500, 1000 oder 2000 mg Disulfiram.

Die kurze Intervention zeigte Wirkung: Selbst mit der niedrigsten Disulfiram-Dosierung zeigte sich eine signifikante Erhöhung der Virenaktivität – ein starker Hinweis darauf, dass der Wirkstoff unmittelbar für die Aktivierung der Viren verantwortlich ist. Als besonders positiv werten die Forscher, dass Disulfiram keinerlei schwere Nebenwirkungen hervorrief. Lediglich die Einnahme von Alkohol müsse bei Anwendung des Präparates komplett ausgeschlossen sein. Die kurze Einnahmezeit über wenige Tage reduziere das Risiko für unerwünschte Wirkungen zusätzlich.

Sollten die Studienergebnisse sich in größeren Untersuchungen bestätigen, sehen die Forscher sich ihrem Ziel einen großen Schritt näher: Mit Disulfiram als Aktivator in Kombination mit antiretroviralen Medikamenten könnte zum ersten Mal ein Weg zur Heilung der HIV-Infektion geebnet sein.

Die australischen Wissenschaftler suchen selbst nach einem geeigneten Kombinationspartner, der die aktivierten HI-Viren effektiv beseitigt. Die derzeit erhältlichen Präparate seien zwar gut, um die Vermehrung des viralen Erbgutes zu verhindern. Eine Methode, die bereits befallenen Zellen komplett abzutöten, sei aber bisher noch nicht gefunden, so die Forscher. Erst dann sei die Kombination mit Disulfiram wirklich geeignet, um eine vollständige Heilung der Patienten zu erreichen.

Derzeit leben etwa 80.000 Menschen in Deutschland mit dem HI-Virus. Etwa 3200 Menschen haben sich nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) im vergangenen Jahr mit HIV angesteckt. Damit ist die Zahl der Neuinfektionen trotz Aufklärungskampagnen und Medikamenten seit 2006 nahezu unverändert.

Antabus ist derzeit zur unterstützenden Behandlung von Alkoholismus zugelassen. Es hemmt die Acetaldehyd-Dehydrogenase und damit den vollständigen metabolischen Abbau von Alkohol. Wird während der Behandlung trotzdem getrunken, kommt es zu unangenehmen Unverträglichkeitsreaktionen wie Hautrötung, niedrigem Blutdruck, Tachykardie und Erbrechen.

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