Neurowissenschaft

Herpesviren: Auslöser für Alzheimer? APOTHEKE ADHOC, 25.06.2018 11:25 Uhr

Berlin - 

Sind Herpesviren Auslöser für das Vergessen? US-Forscher der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York zeigten sich „überrascht und skeptisch“, als sie auf ein genetisches Netzwerk stießen, dass Hinweise auf die Pathogenese von Alzheimer geben kann. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Neuron“ veröffentlicht.

Das Forscherteam analysierte etwa 1000 Gehirne: Untersucht wurden vier von der Erkrankung betroffene Hirnareale von 622 Spendern mit Alzheimer-Symptomen und 322 ohne Hinweise auf die degenerative Hirnerkrankung.

Mit Erstaunen stellten die Forscher fest: In den Hirnarealen befinden sich nicht nur menschliche Gene, sondern auch solche der Herpesviren HHV-6A und HHV-7. Diese waren vor allem in den Gehirnen der Alzheimerpatienten zu finden. Die viralen Genome waren in etwa 30 Prozent der Gehirne mit Alzheimerdiagnose nachweisbar. In der Kontrollgruppe konnten diese jedoch nicht nachgewiesen werden.

Hierbei handelt es sich um einen Zufallsfund, denn die Forscher suchten ursprünglich nicht nach dieser Verbindung, sondern wollten Gene finden, die im frühen Alzheimer-Stadium übermäßig aktiv waren. Die Wissenschaftler fanden jedoch keine Auffälligkeit in der menschlichen Genaktivität, sondern in den beiden Herpesviren. „Wir haben nicht nach den Viren gesucht, aber die Viren haben uns förmlich angeschrien“, sagte Ben Readhead, Assistenzprofessor am Forschungszentrum für Neurodegenerative Erkrankungen der Arizona State University und Hauptautor.

In weiteren Untersuchungen konnte das Forscherteam zeigen, dass die Viren den Hirnstoffwechsel beeinflussen können. Das menschliche Erbgut kann mit den Viren interagieren. Die Wissenschaftler fanden jedoch keinen Hinweis, dass die Viren aktiv zum Krankheitsausbruch beitragen. Sie fanden jedoch Belege, dass einige Herpes-Gene die Aktivität von sechs Alzheimer-Gene verstärken können. Das die Viren Auslöser der Erkrankung sind, ist jedoch nicht beweisen.

Am Tiermodell konnten die Forscher zeigen, dass das Gen miR155 in den Krankheitsverlauf eingreift. Der Abbau des Gens wird von HHV-6A beschleunigt. Wurde das Gen bei Mäusen entfernt, entwickelten diese Tiere im Alter von etwa vier Monaten die degenerative Hirnerkrankung durch Ablagerung von Beta-Amyloiden. Kommt es zu einer Zusammenlagerung der Beta-Amyloid-Proteine, entstehen größere Fibrillen – die Amyloid-Plaques –, die für das Absterben von Nervenzellen verantwortlich gemacht werden.

HHV-6A und HHV-7 sind mit den Auslösern für Lippen- und Genitalherpes verwandt. Die Viren sind Verursacher des sogenannten 3-Tage-Fiebers, das im Säuglingsalter auftritt und meist unentdeckt bleibt. Die Studie liefere jedoch keine Hinweise darauf, dass Alzheimer ansteckend sei, viral übertragen werde oder Lippenherpes mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko einher gehe.

In Deutschland leben etwa 1,6 Millionen Alzheimer-Patienten. Der Großteil der Betroffenen ist älter als 85 Jahre. Als Standardbehandlung der leichten und mittelschweren Form von Alzheimer werden vor allem die Wirkstoffe Donepezil, Galantamin und Rivastigmin verwendet. Die Cholinesterasehemmer verhindern den Abbau von Acetylcholin (ACh) im synaptischen Spalt und sollen so das ACh-Defizit von Alzheimer-Kranken ausgleichen. Memantin ist der einzige Wirkstoff, der zur Therapie von schwerem Alzheimer zugelassen ist. Der selektive N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)-Rezeptor-Antagonist blockiert die Wirkung pathologisch erhöhter Glutamat-Konzentrationen.