Die Impfquote für das humane Papillomvirus (HPV) ist hierzulande eher gering. Im Fachjournal „The Lancet“ wurde vor Kurzem die bisher größte Metaanalyse zur HPV-Impfung veröffentlicht: Sie zeigt, welchen Erfolg eine flächendeckende Impfung haben kann.
Die Impfquote von HPV in Deutschland liegt bei gerade einmal gut 40 Prozent. Andere europäische Länder wie Großbritannien mit 85 Prozent, Norwegen und Portugal mit je 83 Prozent oder Schweden mit 77 Prozent liegen deutlich darüber. Die Gründe, warum Deutschland im europäischen Vergleich hinterher hinkt, sind vielseitig. Zum einen herrscht allgemeine Verunsicherung, da in der Vergangenheit über Todesfälle in Zusammenhang mit der Impfung berichtet wurde. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) konnte jedoch keinen Zusammenhang feststellen. Außerdem stand die HPV-Impfung in Verdacht, Multiple Sklerose auszulösen. Doch auch dieser Zusammenhang wurde durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ausgeschlossen.
Die nun veröffentlichte Meta-Analyse aus Kanada wurde aufgrund ihrer Größe aus einem Fonds der WHO unterstützt: Es wurden insgesamt 1702 Publikationen analysiert. So wurden insgesamt 65 Publikationen mit einer Gesamtpopulation von über 60 Millionen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgenommen. Die Analyse zeigte, dass durch die Impfung das Auftreten von anogenitalen Warzen, Krebsvorstufen und fortgeschrittenen intraepithelialen Neoplasien des Gebärmutterhalses erheblich sank: Innerhalb von fünf bis acht Jahren reduzierten sich die Erkrankungen in der gesamten Altersgruppe und zwar nicht nur bei den geimpften Mädchen. Die Voraussetzung für diesen Erfolg war, dass mindestens die Hälfte der Altersgruppe geimpft war – und zwar Jungen und Mädchen.
Durchschnittlich gingen durch die Impfung innerhalb von fünf bis acht Jahren in der Gruppe der 13- bis 19-jährigen Mädchen die HPV-Infektionen mit den Typen 16 und 18 im Durchschnitt um 83 Prozent zurück. Bei den 15- bis 19-jährigen Mädchen wurde das Auftreten von anogenitalen Warzen um 67 Prozent reduziert, das von CIN2+-Läsionen um 51 Prozent. In der höheren Altersgruppe von 20 bis 24 Jahren war der Effekt für alle drei Erkrankungen jeweils um 20 bis 50 Prozent schwächer, in der Altersgruppe von 25 bis 29 Jahren um weitere 20 Prozent.
Der geringere Schutzeffekt in den höheren Altersgruppen könnte dadurch entstanden sein, dass hier die HPV-Impfung im empfohlenen Zeitfenster noch nicht hinreichend eingeführt war. Dadurch war der Anteil der durch die Impfung geschützten Mädchen und Frauen geringer. Die Autoren ermittelten bei einer hohen Impfrate von mindestens 50 Prozent eine Herdenimmunität: Anogenitale Warzen bei Jungen und Mädchen gingen hier um fast 90 Prozent zurück. Waren die Impfraten schlechter, waren es bei Mädchen nur 44 Prozent und bei den Jungen 1 Prozent.
Ebenso verringerte sich bei einer hohen Impfrate das Risiko von CIN2+-Läsionen. In einigen Ländern wird die HPV-Impfung im Rahmen von Schulprogrammen durchgeführt: In Australien und Norwegen liegt die Impfrate daher bei über 90 Prozent. Eine norwegische Kohorten-Untersuchung zeigte, dass die Infektionen mit einigen HPV-Typen bei den geimpften Jugendlichen um bis zu 90 Prozent sanken.
Seit 2006 gibt es entsprechende Impfungen, deren Anwendung seit 2007 durch die Ständige Impfkommission (Stiko) empfohlen wird. Seit 2018 ist die HPV-Impfung nicht nur für Mädchen, sondern auch für Jungen von 9 bis 14 Jahren empfohlen und wird durch die Krankenkassen übernommen. Die letzten Auswertungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen eine Impfrate von gut 45 Prozent bei den Mädchen und – aufgrund der erst 2018 empfohlenen Impfung – 0 Prozent bei den Jungen. Die Ergebnisse von 2018 werden Ende des Jahres erwartet.
Zur Impfung gegen Krebs stehen zwei Vakzine zur Verfügung: Die neunvalente Vakzine Gardasil 9 (MSD) und die bivalente Vakzine Cervarix (GSK). Gardasil 9 ist seit März 2016 auf dem Markt und wird nach festem Schema geimpft: Im Alter zwischen 9 und 14 Jahren wird immunisiert, dazu werden zwei Impfdosen im Abstand von fünf Monaten injiziert. Ab einem Alter von 15 Jahren sind drei Gaben nötig. Bei Gardasil 9 sollte der Abstand zwischen der ersten und zweiten Gabe zwei Monate und zwischen der zweiten und dritten Injektion sechs Monate betragen. Bei Cervarix sollten Abstände von einem beziehungsweise sechs Monaten eingehalten werden.
Die Viren werden in Niedrigrisiko-Typen (low-risk-HPV) und Hochrisiko-Typen (high-risk-HPV) unterschieden: Erstere lösen bei einer Infektion meist ungefährliche Genitalwarzen aus. Eine Infektion mit Hochrisiko-Typen führt oft zu Gewebsveränderungen, die sich im Laufe der Jahre zu bösartigen Tumoren entwickeln können: Besonders häufig ist das Zervixkarzinom. Auch Jahre nach einer Infektion kann es durch den Erreger zu bösartigen Tumoren im Intimbereich kommen. Gebärmutterhalskrebs ist die dritthäufigste Krebsart: Jährlich werden 140.000 Frauen aufgrund eines krebsverdächtigen Befundes am Gebärmutterhals operiert; 4600 Frauen erhalten die Diagnose Krebs und ein Drittel stirbt.
Die Ansteckung erfolgt direkten Haut- und Schleimhautkontakt beim Geschlechtsverkehr. Die Viren können über Mikroverletzungen in die Schleimhaut eindringen und so die Epithelzellen der Basalzellschicht infizieren. Übertragen werden die HPV durch Vaginal-, Anal oder Orogenitalsex. Laut RKI kann die Verwendung von Kondomen nicht sicher vor einer HPV-Infektion schützen. Abhängig vom Krankheitsbild kommt es zu unterschiedlichen Symptomen: Rötliche, bräunliche oder weißliche Papeln in der Genital- und Analregion, Nässegefühl und Juckreiz sowie vaginaler Ausfluss und ungeklärte Scheidenblutungen können Anzeichen für eine Erkrankung sein.
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