Auf den ersten Blick in die deutsche Infektions-Statistik könnten bei Hepatitis E die Alarmglocken klingeln: 2015 haben Ärzte und Behörden 1267 Leberentzündungen gemeldet, die durch dieses Virus ausgelöst wurden. Das waren fast 90 Prozent mehr als im Vorjahr. Hepatitis E wird wahrscheinlich in erster Linie durch rohes Schweinefleisch übertragen. Sind Mettbrötchen plötzlich gefährlich? Das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) gibt Entwarnung. Der rasante Anstieg der Zahlen habe vor allem mit einer verbesserten Diagnostik und der größeren Aufmerksamkeit von Ärzten zu tun.
Wenn es um Virushepatitis geht, machen Experten die Varianten B und C weitaus größeren Sorgen. Sie stehen auch beim Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli im Fokus. Denn beide Typen bergen das Risiko einer chronischen Erkrankung. Und Menschen aus Risikogruppen schützen sich in Deutschland noch zu wenig.
In der öffentlichen Wahrnehmung spielt eine Virushepatitis, die die Leber als zentrales Entgiftungs-Organ des Körpers schädigen kann, keine große Rolle. Dabei sterben weltweit jeden Tag 4000 Menschen daran, listet die Deutsche Leberhilfe auf. Auf das Jahr gerechnet seien das mehr Tote als durch HIV oder Malaria.
Die Todesursachen-Tabelle beim Statistischen Bundesamt führt in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils zwischen 850 und 1000 Sterbefälle durch Virushepatitis in Deutschland auf. „Die Todesfälle sind wie bei vielen chronischen Erkrankungen sicher untererfasst“, sagt Dr. Ruth Zimmermann, Infektionsepidemiologin beim RKI. Auch bei anderen auf dem Totenschein angegebenen Todesursachen könne eine Hepatitis eine große Rolle gespielt haben.
Hepatitis B und C beträfen in Deutschland Hunderttausende, heißt es bei der Leberhilfe. Allein für diese beiden Viren wurden 2015 rund 8670 Neudiagnosen in Deutschland erfasst. Das Problem ist, dass es oft keine neuen Infektionen sind. Viele Patienten leben schon Jahre damit und wissen oft nichts davon. Denn die Leber leidet stumm. Zu einer Gelbsucht als sichtbarer Reaktion kommt es bei einer Virushepatitis nicht immer. „Oft gibt es nur unklare Symptome wie Abgeschlagenheit oder Oberbauchbeschwerden“, berichtet Medizinerin Zimmermann.
Bei Routineuntersuchungen würden Leberwerte oft ignoriert, kritisiert die Leberhilfe. Ein Großteil der Infektionen wird erst im Stadium der Folgeerkrankungen diagnostiziert – bei fortgeschrittener Leberfibrose, einer Zirrhose oder einem Leberzellkarzinom. Manchmal ist eine Transplantation dann die einzige Lösung.
Die Infektionen haben verschiedene Ursachen. Migranten können Hepatitis B zum Beispiel aus Heimatländern mitbringen. Einen Test von Schwangeren auf das Virus und eine generelle Schutzimpfung im Kindesalter wie in Deutschland gibt es dort oft nicht.
Da Hepatitis B durch Blut übertragen werden kann, sind in Deutschland häufig Menschen, die sich Drogen spritzen, gefährdet. Forscher gehen zudem davon aus, dass viele Infektionen beim Sex erfolgen. Ein Großteil der Fälle wird in der Gruppe der jungen Erwachsenen beobachtet. Menschen mit HIV sind besonders anfällig für andere Infektionen – damit auch für Hepatits B. Oft sind es Männer, die Sex mit Männern haben und sich nicht mit Kondomen schützen.
Eine Rolle in der Statistik spielen aber auch Urlaubsreisende, die sich durch sexuelle Kontakte im Ausland infizieren. Dabei gibt es für Hepatitis B eine Schutzimpfung. Forscher wünschen sich deshalb noch mehr Aufklärung und Prävention.
Für Hepatitis C gibt es keine Schutzimpfung. Dieses Virus ist besonders tückisch, weil es sich immer wieder verändert. Selbst eine durchgemachte Erkrankung biete deshalb keinen Immunschutz, erläutert Zimmermann.
Bei Hepatitis C sind Drogennutzer in der Meldestatistik überproportional vertreten. Oft geht es um lange zurückliegende Infektionen. Doch es werden auch aktuell weiter Viren übertragen. „Das liegt heutzutage seltener an unsauberen Spritzen und Nadeln, sondern eher am Teilen von Filtern, Wasser und Pfännchen“, sagt Zimmermann. Im Partymilieu seien Schnupfröhrchen, die gemeinsam genutzt werden, ein Risiko.
Durch sexuelle Übetragung sind schwule Männer auch überdurchschnittlich von Hepatitis C betroffen, oft im Zusammenspiel mit einer HIV-Infektion. Dass Hepatitis-C-Neudiagnosen in dieser Gruppe besonders stark auffallen, kann aber auch mit der engmaschigeren ärztlichen Versorgung von HIV-Patienten zusammenhängen.
Hepatitis A und E haben in vielen Fällen weniger schwere Langzeitfolgen. Der Virentyp A wird häufig über verunreinigtes Trinkwasser oder Lebensmittel übertragen. Vor Fernreisen wird deshalb für viele Ziele eine Impfung empfohlen. Sie gehört in Deutschland auch bei Kindern nicht zu den Routineimpfungen.
Gegen Hepatitis E würde in Deutschland schon helfen, Schweinefleisch sicherheitshalber gut durchzugaren, heißt es beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Es ist zwar nicht vollständig geklärt, ob die Viren durch Rohwürste von infizierten Tieren übertragen werden können – aber der Verdacht liegt nahe. In Deutschland sind nach BfR-Angaben in Studien bei 40 bis 50 Prozent der Hausschweine Antikörper gegen das Virus gefunden worden. In Frankreich hätten Wurstarten mit roher Schweineleber bereits zu Hepatitis-E-Erkrankungen geführt.
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