Schweinegrippe

„Großversuch an der Bevölkerung“ dpa/ APOTHEKE ADHOC, 03.08.2009 13:24 Uhr

Hamburg/ Berlin - 

Während die Produktion für den Schweinegrippe-Impfstoff auf Hochtouren läuft und die Kassen mit der Bundesregierung über die Übernahme der Impfkosten streiten, werden kritische Stimmen gegen die im Herbst geplante Massenimpfung laut. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ könnten theoretisch 250.000 Menschen eine „schlimme Impfreaktion“ erleiden, ohne dass diese in den vorherigen Tests aufgefallen wären. Denn die bisherigen Sicherheitstests der Musterimpfstoffe seien nur darauf ausgelegt, Nebenwirkungen zu erkennen, die in mehr als 1 Prozent der Fälle auftreten, so der Spiegel.

Als „Großversuch an der deutschen Bevölkerung“ bezeichnete der Herausgeber des „arznei-telegramms“, Wolfgang Becker-Brüser, die Impfung daher gegenüber dem „Spiegel“.

„Wenn der Verlauf der Schweinegrippe so harmlos bleibt wie jetzt, wäre ein Massenimpfprogramm nicht gerechtfertigt“, sagte Dr. Matthias Gruhl vom Gesundheitssenat in Bremen gegenüber dem Nachrichtenmagazin. Gruhl ist mitverantwortlich für die Pandemieplanung.

Im Editorial der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „The Lancet“ raten die Herausgeber den Ländern, sorgfältig Risiken und Nutzen der schnell zugelassenen H1N1-Impfstoffe abzuwägen. Da noch keine ausreichenden Erfahrungen mit den eingesetzten Wasser-in-Öl-Adjuvantien vorliegen, sollten die Länder die Sicherheit der Impfstoffe vor allem nach deren Einführung überwachen.

Das Zulassungsverfahren orientiere sich bisher an der Annahme, dass man eine sehr gefährliche Pandemie zu befürchten und daher nur wenig Zeit habe, sagte der Virologe Professor Dr. Dr. Alexander Kekulé von der Universität Halle-Wittenberg dem Berliner „Tagesspiegel“. Angesichts der Erfahrung, dass die Krankheit aber meist harmlos verlaufe, müsse man „schon diskutieren, ob man bei der Zulassung nun nicht noch ein paar zusätzliche Sicherheitsebenen einzieht“.

Die Bundesärztekammer sieht die Lage anders: Angesichts der logistischen Probleme sei es „ein Riesenglück, dass sich die Schweinegrippe als längst nicht so mörderisch erwiesen hat wie befürchtet“, sagte der Vizepräsident Dr. Frank-Ulrich Montgomery gegenüber dem Tagesspiegel. Die Massenimpfung sei nun ein „idealer Testfall“; alle Beteiligten könnten „üben, wie man eine solche Herausforderung am besten auf die Reihe bekommt“.