Mit dem cannabishaltiges MS-Medikament Sativex kam im Juli 2011 das erste kühlpflichtige Betäubungsmittel (BTM) auf den deutschen Markt. In Apotheken muss das Präparat in abschließbaren Arzneimittelkühlschränken gelagert werden, und die Großhändler mussten ihre BTM-Räume aufrüsten. In Großbritannien ist all das nicht mehr notwendig: Dort gibt es für die Lagerung von Sativex keine Auflagen mehr. In Deutschland wird es aber zunächst keine Erleichterungen geben.
In Großbritannien werden „controlled drugs“ in fünf Kategorien eingeteilt. Bisher fiel Sativex in die erste Gruppe der Substanzen, die mutmaßlich keinen medizinischen Wert haben und deren Nutzung der Wissenschaft vorbehalten ist. Das britische Innenministerium habe Sativex nun in die vierte Gruppe eingeordnet, weil das Präparat ein geringes Missbrauchspotenzial habe, teilte der britische Hersteller GW Pharmaceuticals mit.
In Großbritannien gibt es für Sativex demnach keine Auflagen mehr für den Vertrieb, die Dokumentation, die Lagerung oder die Vernichtung. Unaufbereiteter Cannabis fällt weiterhin in die erste Gruppe.
„Die Umstufung ist ein wichtiger Meilenstein für Sativex, sowohl in Großbritannien als auch im Rest der Welt“, sagte GW-Chef Dr. Geoffrey Guy. Die Einordnung in die vierte Gruppe helfe, Sativex und zukünftige cannabishaltige Arzneimittel von unaufbereitetem Cannabis abzugrenzen.In Deutschland sind im Betäubungsmittelgesetz drei Klassen vorgesehen: Nicht verkehrsfähige BTM (Pflanzen der Gattung Cannabis), verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige BTM (Cannabis zur Herstellung von Arzneimitteln) und verkehrsfähige und verschreiungsfähige BTM. In die letzte Gruppe fallen Fertigarzneimittel mit Cannabis, also auch Sativex.
Die Einstufung eines Wirkstoffs in eine dieser Klassen gebe vor, welche Bedingungen erfüllt werden müssten, erklärt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Arzneimittel können vom BTM-Status befreit werden: Solche Änderungen muss der Sachverständigenausschuss beantragen, die Entscheidung liegt bei der Bundesregierung, so ein BfArM-Sprecher. „Entsprechende Anträge sind uns jedoch nicht bekannt.“In Großbritannien wird Sativex von Bayer vertrieben, in Deutschland und dem übrigen Europa von Almirall. Ein Almirall-Sprecher konnte zu möglichen Erleichterungen für deutsche Apotheken nichts sagen. Die Situation sei noch neu und werde derzeit im Unternehmen diskutiert.
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