Grippeschutz mit Flavonoiden und Darmbakterien Deniz Cicek-Görkem, 14.08.2017 12:26 Uhr
Flavonoiden werden gesundheitsprotektive Wirkungen zugesprochen. Je nach Untergruppe können sie unter anderem antiphlogistisch, diuretisch und antiödematös wirken. Auch sollen sie sich positiv auf die Prävention und den Krankheitsverlauf der Influenza auswirken. Bislang war nicht bekannt, wie sie die Immunabwehr beeinflussen. Um dem nachzugehen, haben US-Wissenschaftler in einer aktuellen Studie den Effekt von Flavonoiden in der Ernährung auf den Verlauf der Inflenza untersucht. Sie haben herausgefunden, dass ein bestimmtes Darmbakterium einen Metaboliten aus sekundären Pflanzeninhaltsstoffen produziert, der in der Abwehr von Influenzaviren eine Rolle spielt.
Aus früheren Studien ist bekannt, dass die Intestinalflora die Pathogenität von Grippe-Viren beeinflusst und Desaminotyrosin (DAT) ein Abbauprodukt von Flavonoiden ist. Nun haben Forscher der Washington University in St. Louis das Darmbakterium identifiziert, dass Flavonoide zu DAT abbaut: Clostridium orbiscindens. Sie haben herausgefunden, dass die vom obligat anaeroben Bakterium produzierte Substanz die Wirkung von Alpha-Interferon (IFN-α) verstärkt. Dieses Protein aktiviert die natürlichen Killer-Zellen, die der Virus- und Tumorabwehr dienen.
Mäuse, die vor einer Influenzainfektion DAT erhielten, zeigten in der Studie weniger Lungenschäden während des Krankheitsverlaufs als die unbehandelten Tiere. Außerdem verzeichneten die behandelten Mäuse eine höhere Überlebensrate. Eine Zufuhr von DAT nach Auslösung der Infektion hatte allerdings keine schützende Wirkung. Das Auftreten der Grippe-Infektion konnte zwar nicht vermieden werden, aber das Stoffwechselprodukt verhinderte, dass das Lungengewebe geschädigt wurde. „Die Infektionsraten waren im Grunde gleich“, sagt Co-Autor Professor Dr. Thaddeus Stappenbeck.
Die im Fachjournal „Science“ veröffentlichte Studie zeigt, dass die vom Bakterium produzierte Substanz den Amplifikationszyklus des IFN-α-Signalwegs fördert und immunpathologische Prozesse der Lunge vermindert. Den Ergebnissen zufolge haben spezifische Darmbakterien einen Effekt auf die Immunantwort in Bezug auf die Modulation von IFN-α. Die Forscher gehen davon aus, dass neben Clostridium orbiscindens weitere Bakterienarten Flavonoide zu Desaminotyrosin abbauen und eine Rolle in der Immunabwehr spielen.
Die Substanz könnte den Wissenschaftlern zufolge daher ein potenzieller Wirkstoff in der Therapie der Influenza sein. „Mit DAT könnte es möglich sein, Infizierte vor den schlimmen Folgen einer Grippe zu schützen“, so Co-Autorin Dr. Ashley Steed. Da sich der Grippeerreger über die Zeit ändere, ginge dies auch mit einer Herausforderung in der Entwicklung von Impfstoffen und Therapeutika einher. „Hier fungiert nicht der Virus als Target, sondern die Immunantwort zum Virus“. Dies könne von Vorteil sein. Neben der Erforschung weiterer Darmbakterien, die auch diesen Stoff produzieren, soll auch untersucht werden, inwiefern die Kolonisierung von „guten“ Darmbakterien bei Menschen mit geringer Besiedelung verstärkt werden kann.
Den Zahlen der WHO zufolge sterben jährlich 250.000 bis 500.000 Menschen an den Folgen der Influenza. Zu den Symptomen gehören ausgeprägtes Krankheitsgefühl, hohes Fieber, Schüttelfrost sowie Glieder- und Kopfschmerzen. Für einige Patienten kann der Erreger lebensbedrohlich werden, während der Körper anderer Menschen besser mit der Infektion umgehen kann. Wie die Forscher zeigen, könne die unterschiedliche Zusammensetzung der Intestinalflora in Kombination mit der Ernährung ein Grund dafür sein. Für die nächste Grippe-Saison empfehlen die Forscher eine flavonoidreiche Ernährung.
Charakteristisch für alle Flavonoide ist ein C15-Kohlenstoffgerüst, das biogenetisch aus drei Acetat-Einheiten (C6) und einer Phenylpropan-Einheit (C6-C3) aufgebaut wird. Clostridium orbiscindens kann die C3-C4-Bindung des Flavonols Quercetin, was in Heidelbeeren, Traubensaft oder Tee vorkommt, aufspalten. Neben DAT gehören auch 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure und wahrscheinlich Phlorogucinol zu weiteren bekannten bakteriellen Zersetzungsprodukten.