Abstandsregeln, Lockdown & Co. haben im vergangenen Winter auch dazu geführt, dass es kaum Grippefälle gab. Eine wirkliche Welle blieb aus. Für den Moment erscheint das gut, doch mit Blick auf den kommenden Winter befürchten Ärzt:innen eine umso heftigere Grippewelle. Der Grund könnte fehlender Impfstoff sein. Die Hersteller wiederrum geben Entwarnung.
Grippeimpfstoffe werden von Jahr zu Jahr angepasst. Influenzaviren sind sehr wandelbar, deshalb wird jährlich auf die aktuell kursierenden Stämme geschaut. Nur so können die Vakzine weiterhin wirksam sein. Was genau auf ein Jahr ohne Grippe folgt, ist unklar. In den vergangenen Jahren folgte auf eine ruhige Saison meist eine mit hohen Infektionszahlen und vielen schweren Verläufen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt jedes Jahr die genaue Zusammensetzung der saisonalen Grippeimpfstoffe bekannt. Für die kommende Saison ändert sich nicht alles. „Manchmal ändert die WHO die Zusammensetzung im Vergleich zur Vorjahressaison nicht komplett, so wurden für die kommende Saison zwei Stämme ausgetauscht. Im Grippeimpfstoff 2021/22 sind die beiden Influenza A-Stämme A/Victoria/2570/2019 (H1N1)-like virus und A/Cambodia/e0826360/2020 (H3N2)-like virus neu enthalten. Sie ersetzen die Stämme A/Guangdong-Maonan/SWL1536/2019 (H1N1)-like virus und A/Hong Kong/2671/2019 (H3N2)-like virus“, informiert eine Sprecherin von GlaxoSmithKline (GSK).
Die Vorgaben für die Produktion waren schon vor dem Ende der letzten Grippesaison bekannt. Und ganz ausgefallen sei diese zudem nicht. GSK verweist hier auf die aktuellen Berichte vom Robert Koch-Institut (RKI): „Wenn man sich die Zahlen des RKI ansieht, ist die letzte Saison zwar mild verlaufen, aber nicht ausgefallen. Knapp 190.000 Fälle wurden in der Saison 2020/21 registriert.“ Das RKI beurteilt die Zahlen wie folgt: „In der Saison 2020/21 hat sich in Deutschland keine auf Bevölkerungsebene messbare Grippewelle aufgebaut.“
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat die nationale Reserve bereits bestellt. Folgende Vakzine wurden geordert:
Wie viel auf die einzelnen Hersteller entfällt, wollte das BMG nicht verraten: „Die jeweiligen Bestellmengen unterliegen wie andere Vertragsdetails der Vertraulichkeit.“ Anders als im Vorjahr sollen alle Impfstoffe aus diesem Sonderkontingent in deutscher Aufmachung daher kommen.
Ärzte warnen, dass der Impfstoff weniger effektiv sein könnte, da kaum Daten zu nötigen Anpassungen vorliegen. Doch vor wirklichen Herausforderungen stehen die Hersteller bei der Impfstoffentwicklung wohl nicht. Die ausgefallene Grippewelle 2020/21 hat auch laut Sanofi keinen Einfluss auf die Produktion. „Sanofi Pasteur hat, wie in jedem Jahr, Anfang des Jahres mit der Herstellung von Influenza-Impfstoffen für die nördliche Hemisphäre begonnen. Die Impfstoffe basieren auf den WHO-Empfehlungen zum Influenza-Virusstamm, welche Anfang des Jahres veröffentlicht wurden“, informiert eine Sprecherin. Auch nach ausgefallener Grippesaison werden die Vakzine optimiert. „Die WHO hat im Frühjahr bekannt gegeben, welche Antigene in den Influenza-Impfstoffen für die Saison 2021/22 für die nördliche Hemisphäre enthalten sein sollen. Damit sollen die entsprechenden angepassten und aktuellen Influenza-Impfstoffe in der Saison 2021/22 verwendet werden.
Eine erneute Markteinführung eines bereits eingesetzten Impfstoffes erfolgt nicht: „Sämtliche von Sanofi Pasteur in den Markt gebrachten Influenza-Impfstoffe sind für die Verwendung innerhalb einer einzigen Influenza-Saison vorgesehen.“ Auch der Hochdosis-Influenza-Impfstoff Efluelda, der nicht Teil der nationalen Reserve ist, wurde für die Saison 2021/22 angepasst.
GSK sieht die Herausforderung eher aufseiten der Ärzt:innen und Apotheker:innen: „Die geringeren Fallzahlen könnten allerdings dazu beitragen, dass die Bedeutung der Influenzaimpfung bei Ärzt:innen und in der Bevölkerung für den Gesundheitsschutz abnimmt und sich somit negativ auf die Impfquoten in der kommenden Saison auswirken. Schon vor der Sars-CoV-2-Pandemie galt die Unterschätzung der Schwere einer Influenza-Erkrankung als einer der Hauptgründe für das Versäumnis von Impfungen.“ Für Pharmazeut:innen und Mediziner:innen könnte die Aufklärung über den Nutzen der Grippeimpfung in diesem Jahr eine große Rolle spielen.
Daher scheint auch in diesem Jahr eine Grippeimpfung sehr empfehlenswert. Auch das weitere Tragen einer Maske kann vor einer Infektion schützen. In vollen Bussen und Bahnen oder im Supermarkt kann die OP- oder FFP2-Maske weiterhin hilfreich sein. Die ersten Unternehmen, darunter Novavax, arbeiten auch schon an Kombinationsimpfstoffen. Bereits in diesem Herbst werden diese aber nicht verfügbar sein.
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