Immunisierung

Grippeimpfung: Pflaster statt Spritze Deniz Cicek-Görkem, 06.07.2017 14:01 Uhr

Berlin - 

Impfungen sind nicht in allen Teilen der Bevölkerung beliebt – Grund ist unter anderem die intramuskuläre Zufuhr des Impfstoffs via Spritze. Bald könnte es eine Alternative zu der gängigen Methode geben: Eine im Fachjournal „Lancet“ publizierte Studie zeigt, dass eine Immunisierung gegen Influenza mittels transdermalem Pflaster genauso effektiv ist wie die Spritze in den Oberarm.

Zur Analyse haben Ärzte der Emory University in Atlanta 100 Freiwillige im Alter von 18 bis 49 Jahren herangezogen, die zuvor nicht mit dem Grippeimpfstoff der Saison 2014/15 geimpft worden waren. Die Phase-1-Studie war randomisiert, einfach-blind und placebo-kontrolliert. Sie wurde von Juni bis September 2015 durchgeführt. Eine Schwangerschaft war ein Ausschlusskriterium, außerdem dermatologische Funktionsstörungen.

Die Probanden der TIV-MNP 2015-Studie wurden in vier Gruppen randomisiert: Gruppe 1 erhielt eine Einmaldosis des inaktivierten trivalenten Influenza-Impfstoffs Fluvirin in Form eines Mikronadel-Pflasters, Gruppe 2 als intramuskuläre Injektion in den Oberarm, Gruppe 3 bekam ein wirkstofffreies Mikronadel-Pflaster. Probanden der Gruppen 1 bis 3 bekamen das jeweilige Präparat von Mitarbeitern der Gesundheitsbranche.

Gruppe 4 bekam eine Einmaldosis des Vakzins mittels Mikronadel-Pflaster – angebracht durch andere Studienteilnehmer. Das Pflaster wurde bei den Personen der Gruppen 1, 3 und 4 jeweils für 20 Minuten auf das Handgelenk festgeklebt und bestand aus 100 Mikronadeln, die Fluvirin enthielten und abgaben. Die Nadeln waren sehr klein, sodass es zu keinen Schmerzen während der Applikation kam.

28 Tage nach der Pflasterimpfung stellten die US-Wissenschaftler fest, dass die Immunantwort vergleichbar war mit einer intramuskulären Impfung. Gemessen wurde dies an der Entwicklung von Antikörpern (Serokonversion) gegen Grippeviren. Nach einmaligem Gebrauch gaben 70 Prozent der Probanden an, eine Impfung per Pflaster zu bevorzugen. In den folgenden sechs Monaten erkrankte keiner der Teilnehmer.

Außerdem war die Inzidenz von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei den geimpften Probanden der drei Gruppen vergleichbar. Die Nebenwirkungen der Impfung (Reaktogenität) waren mild und vorübergehend. 60 Prozent der intramuskulär geimpften Teilnehmer bemerkten eine Druckempfindlichkeit, 44 Prozent klagten über Schmerzen nach der Injektion. Die, die mittels Pflaster geimpft wurden, nannten Druckempfindlichkeit mit 66 Prozent an erster Stelle, danach kamen Erytheme mit 40 Prozent an zweiter Stelle. 82 Prozent bekamen einen Juckreiz durch das wirkstoffhaltige Pflaster. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse durch die innovative Methode auf.

Der geometrische Titer nach vier Wochen war bei den Patienten, die ein Pflaster oder eine Injektion jeweils von einem Mitarbeiter erhielten, vergleichbar. Ähnliche Werte hat man auch bei Personen, bei denen das Pflaster von Studienteilnehmern angeklebt worden ist, erhalten.

Mit Fluenz gibt es in Deutschland bereits einen nasalen Impfstoff gegen Influenza. Allerdings ist das Produkt nur in einer Nische zu Hause. Zwar übernehmen die Kassen mittlerweile die Kosten, die Vakzine wird aber nur für Kinder von 2 bis 18 Jahren eingesetzt. Angesichts der Ausschreibungen wird sich daran wohl so schnell nichts ändern. 2012 hatte AstraZeneca diesen ersten nasal zu applizierenden Lebendimpfstoff auf den deutschen Markt gebracht. Mittlerweile gibt es mit Fluenz Tetra eine weitere Variante.

Eine andere Applikationsform hat der Hersteller PharmaJet gefunden: In den USA erhielt die nadelfreie Injektionstechnologie Stratis 0.5mL Jet-Injektor die Zulassung. Mit einem Hochdruckstrahl wird der Grippeimpfstoff Afluria von bioCSL durch die Haut geschossen.

Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung im Saarland (HIPS) und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig (HZI) haben eine Impfcreme entwickelt, die bereits in der präklinischen Phase untersucht wurde, also im Labor und an Tieren. Da mit den Nanopartikeln nicht genügend Impfstoff in den Körper gelangt, um die gewünschte Reaktion des Immunsystems hervorzurufen, schleusen die Forscher zusätzlich Adjuvantien mit den Mini-Transportern durch die Haut.