Grippeimpfstoffe 2021/2022: High dose, high price, high volume Patrick Hollstein, 19.01.2021 13:57 Uhr
Mit „Fluzone High Dose Quadrivalent“ war im Herbst erstmals ein neuer Grippeimpfstoff erhältlich. Mit vierfacher Antigenmenge ist die Vakzine des Herstellers Sanofi speziell für Menschen ab 65 Jahren zugelassen – auch der Preis liegt viermal so hoch wie der der gängigen Vakzine. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt trotzdem den Einsatz des Impfstoffs in dieser wichtigen Gruppe – am Donnerstag muss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die Aufnahme in die Schutzimpfungs-Richtlinie entscheiden.
Der Hochdosis-Impfstoff von Sanofi ist ein Ei-basierter Spaltimpfstoff, der die vierfache Menge HA-Antigen (60 μg) enthält. Als Teil der Nationalen Reserve war die Vakzine zuletzt unter dem Namen Fluzone als US-Import verfügbar. Nach der europäischen Zulassung im vergangenen Mai soll die Vakzine in der kommenden Saison unter dem Namen Efluelda regulär auf den Markt kommen. Sanofi sammelt bereits die Vorbestellungen der Arztpraxen ein.
Am hohen Preis ändert sich im Grundsatz nichts: Sanofi ruft – unter Verweis auf den hohen Antigengehalt – 405 Euro für 10 Stück auf. Der Import kostete 415 Euro, was Ende vergangenen Jahres viele Ärzte abschreckte. Zum Vergleich: Flucelvax, Influsplit Tetra und Vaxigrip Tetra haben einen Listenpreis von knapp 130 Euro für die 10er-Packung. Afluria und Influvac Tetra liegen bei 110 Euro.
Am Donnerstag muss der G-BA entscheiden, ob Efluelda in den Leistungskatalog der Kassen aufgenommen wird. Bereits im November sprach sich die Stiko für den hochdosierten Impfstoff aus – sehr zum Entsetzen der anderen Hersteller. Die Experten am Robert-Koch-Institut (RKI) empfehlen die Vakzine sogar schon für alle Personen ab 60 Jahren – Sanofi arbeitet bereits an einer entsprechenden Zulassungserweiterung, die laut Stiko noch in diesem Jahr erwartet wird. Einstweilen sollen weiterhin die üblichen quadrivalenten Influenza-Impfstoffe eingesetzt werden.
Laut Stiko ist im höheren Alter im Allgemeinen die Wirksamkeit der Influenza-Impfstoffe reduziert, daher hoffen die Experten auf eine bessere Wirksamkeit der hochdosierten Variante: Durch eine stärkere Aktivierung der humoralen und zellulären Immunität könne die schwächere Immunantwort im höheren Alter verbessert werden, so die Überlegung.
Die Stiko beruft sich auf einen systematischen Review zur Wirksamkeit und Sicherheit mehrerer weiterentwickelter Influenza-Impfstoffe, der von der irischen Health Information and Quality Authority (HIQA) im Auftrag des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und unter Beteiligung von Mitarbeitern des RKI durchgeführt wurde. Ausgewertet wurden acht nicht-randomisierte Studien mit bis zu 19 Millionen Teilnehmern.
Die vorliegenden Daten zeigen laut Stiko, dass Efluelda den konventionellen Impfstoffen mit hoher Wahrscheinlichkeit überlegen ist und zu einem besseren Schutz bei Personen über 60 Jahren führt, da er Morbidität und Mortalität senkt. Was Hospitalisierung und Pneumonien angeht, wird die Qualität der Evidenz als sehr gering eingestuft.
Im Vergleich zu konventionellen Influenza-Impfstoffen wurde für die hoch dosierte Vakzine laut Stiko eine geringfügige, aber signifikante Überlegenheit der Impfeffektivität bei älteren Menschen nachgewiesen. „Aufgrund der Häufigkeit und Schwere von Influenza-Infektionen in der älteren Bevölkerung zeigen mathematische Modellberechnungen, dass auch bei einer nur geringfügig höheren Impfeffektivität eine relevante Anzahl an influenzabedingten Arztkonsultationen, Hospitalisierungen und Todesfällen zusätzlich verhindert werden kann“, so die Stiko.
Demnach könnten pro Saison 23.013 Arztkonsultationen, 314 Hospitalisierungen und 162 Todesfälle verhindert werden. „Die Qualität der vorliegenden Evidenz in Bezug auf eine bessere Effektivität des Hochdosis-Impfstoffes bei der Verhinderung von laborbestätigten Influenza-Erkrankungen wurde als hoch eingestuft.“
Allerdings zeigt der Impfstoff auch ein signifikant erhöhtes Risiko für Lokalreaktionen, temporäres Unwohlsein und Kopf- und Gliederschmerzen, wobei keine schweren Komplikationen beobachtet wurden. „Die impfenden Ärzte sollten ihre Patienten entsprechend auf mögliche Impfreaktionen hinweisen.“ Hinweise zu einem möglicherweise sehr geringfügig erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Guillain-Barré-Syndroms nach einer Impfung müssten weiter geprüft werden.
Laut Stiko könnte die verbesserte Wirksamkeit möglicherweise zu einer verbesserten Impfakzeptanz führen, die ja bekanntlich mit einer Impfquote von 35 Prozent in dieser Altersgruppe eher gering ist. „Dies bedingt jedoch, dass vonseiten der Ärzteschaft der Zusatznutzen kommuniziert wird.“ Generell sollte verstärkt auf den Nutzen einer jährlichen Impfung hingewiesen werden, da die Krankheitsschwere der Influenza häufig unterschätzt werde.
Bei anderen modernen Grippeimpfstoffen wie dem adjuvantierten Fluad Tetra, dem zellkulturbasierten Flucelvax Tetra (beide Seqirus) oder dem rekombinanten Supemtek/Flublok Quadrivalent (Sanofi) sieht die Stiko derzeit keine ausreichenden Nachweise, um eine bevorzugte Nutzung zu empfehlen. „Die Stiko wird kontinuierlich die Studienlage in Bezug auf die Effektivität und Sicherheit neuer Influenza-Impfstoffe überprüfen und ihre Empfehlungen auf Basis neuer Evidenz aktualisieren. Das schließt auch eine mögliche/zukünftige Empfehlung von anderen weiterentwickelten Influenza-Impfstoffen ein.“