Die Vermarktung von neuen Arzneimitteln ist seit Inkrafttreten des AMNOG im Jahr 2011 deutlich schwieriger geworden. Nur wenige Hersteller schaffen es, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vom Nutzen ihrer Neueinführungen zu überzeugen. Wer es nicht schafft, überlegt sich gut, ob das Produkt überhaupt in Deutschland im Handel bleibt. Eine Reihe von Unternehmen hat die Produkte bereits wieder vom Markt genommen. Ein Überblick.
Invokana/ Vokanamet: Das Antidiabetikum Canagliflozin sollte der neue Blockbuster von Janssen Cilag werden. Der G-BA sah jedoch keinen Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, den Sulfonylharnstoffen. Auch die Kombination mit Metformin fiel durch. Janssen-Cilag zog die Konsequenzen und entschied sich, beide Präparate nicht in Deutschland zu vermarkten. Canagliflozin war bereits der dritte SGLT-2-Hemmer, der durch die Prüfung gefallen war. Für die anderen SGLT2-Inhibitoren (Dapagliflozin und Empagliflozin) wurden dennoch Preisverhandlungen durchgeführt. Bemerkenswert: Das englische NICE urteilte anders als die deutsche und auch die französische Behörde und beließ einen Zusatznutzen.
Trajenta: Linagliptin ist ein weiterer Kandidat in der intensiv bewerteten Gruppe der oralen Antidiabetika. Boehringer Ingelheim und Eli Lilly hatten zunächst intensiv mit dem G-BA um die zweckmäßige Vergleichstherapie gestritten. Während die Hersteller Linagliptin im Dossier vor allem mit Sitagliptin verglichen hatten, sprach sich der G-BA für Sulfonylharnstoffe als Referenz aus. Ein Zusatznutzen wurde nicht festgestellt. Als die Preisverhandlungen scheiterten, wurde Trajenta endgültig für den deutschen Markt gestrichen.
Galvus/Jalra/Xiliarx und Eucreas / Icandra / Zomarist: Wie Boehringer erging es auch Novartis mit seinem Gliptin-Vertreter. Vildagliptin trat mit Studiendaten für fünf verschiedene Patientengruppen an. Keine Subgruppe konnte der Bewertung von IQWiG und G-BA standhalten. Das Kombinationspräparat von Vildagliptin mit Metformin ergab ebenfalls keinen Zusatznutzen; Novartis nahm beide Produkte Kombination aus dem Handel. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen rief der G-BA anschließend die bereits vor dem AMNOG zugelassenen Gliptine zur Nutzenbewertung auf. Es war die erste und bislang einzige Gruppe des Bestandsmarktes, die sich der Prüfung unterziehen musste.
Tresiba: Für Insulin degludec kam im August 2015 das endgültige Aus. Dreimal hatte Novo Nordisk das Präparat in die Nutzenbewertung geschickt, um zumindest für Teilpopulationen einen Zusatznutzen nachweisen zu können. Wegen formaler Mängel wurde dem Wunsch nicht entsprochen: Der dänische Hersteller hatte Wirksamkeitsstudien teilweise zurückgehalten oder geschwärzt.
Rasilamlo: Die Kombination Aliskiren/Amlodipin von Novartis war für die Behandlung der essentiellen Hypertonie entwickelt worden. Der G-BA sah im Mai 2012 keinen Zusatznutzen. Die Kombination aus Calciumantagonist und Reninhemmer sei der zweckmäßigen Vergleichstherapie mit der ACE-Hemmer-Kombination nicht überlegen. Das Monopräparat Rasilez (Aliskiren) ist bereits seit 2007 auf dem Markt und gilt daher Bestandsmarkt-Präparat.
Yellox: Bromfenac ist zugelassen für die Behandlung der postoperativen Augenentzündung nach Kataraktextraktion bei Erwachsenen. Hersteller Bausch & Lomb hatte zunächst einen Antrag auf Freistellung wegen Geringfügigkeit gestellt. Diesen lehnte der G-BA jedoch ab und unterzog den Wirkstoff einer Nutzenbewertung ohne Dossier des Herstellers. Im Januar 2012 sah der G-BA keinen Zusatznutzen gegenüber der Standardtherapie Dexamethason Augentropfen. Bausch & Lomb zog die Konsequenz und nahm das Mittel vom Markt.
BioBag/BioMonde Freie Larven: Der britische Hersteller BioMonde vermarktet Lucilia sericata- zur Förderung der Wundheilung. Die Fliegenlarven produzieren proteolytische Enzyme, die abgestorbenes Gewebe aus einer Wunde entfernen können. Das Unternehmen hatte kein Dossier eingereicht; entsprechend wurde vom G-BA kein Zusatznutzen erkannt. BioMonde war nach eigenen Aussagen davon ausgegangen, von der Nutzenbewertung freigestellt zu werden.
Constella: Wirkstoff Linaclotid sollte bei Patienten mit Reizdarmsyndrom und gleichzeitiger Obstipation in den Handel kommen. Almirall reichte ein Dossier ein, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sah aber den Zusatznutzen nicht belegt. Weil es keine vergleichbaren Präparate gibt, musste der Preis trotzdem verhandelt werden. Doch das Angebot des GKV-Spitzenverbandes ließ laut Aussage des Herstellers keine kostendeckende Vermarktung des Guanylatzyklase-C-Agonisten (GCCA) zu. Linaclotid ist ein Peptid aus 14 Aminosäuren greift an den Rezeptor an, der sich in der Zellmembran von Darmzellen befindet und die Exkretion von Wasser und Chlorid reguliert.
Lyxumia: Ähnlich erging es Sanofi mit seinem Wirkstoff Lixisentanid. Der Hersteller verließ den Markt, nachdem die Nutzenbewertung aus seiner Sicht gescheitert war. Sanofi hatte für vier Subgruppen einen Zusatznutzen gesehen. Der G-BA folgte dieser Auffassung nicht. Das IQWiG hatte zuvor kritisiert, dass für keines der möglichen Anwendungsgebiete geeignete Daten vorgelegt worden seien. Sanofi sei mehrfach von der vorgegebenen Vergleichstherapie abgewichen.
Lojuxta: Der Wirkstoff Lomitapid hatte eine Zulassung zur Behandlung der Hypercholesterinämie erhalten. Einen Zusatznutzen konnte der Hersteller Aegerion allerdings in keiner der beiden untersuchten Subgruppen unter Beweis stellen. Dies veranlasste schließlich die freiwillige Marktrücknahme.
Latuda: Takeda nahm das Mittel zur Behandlung der Schizophrenie nach nur vier Monaten wieder vom Markt. Das IQWiG hatte die eingereichten Studien für eine Nutzenbewertung als nicht ausreichend bewertet. Sowohl in der Akuttherapie als auch bei der Rückfallprophylaxe sei unsicher, ob Lurasidon gegen die Symptome einer Schizophrenie ähnlich gut wirke wie die zweckmäßigen Vergleichstherapien. Latuda bindet an D2- sowie 5-HT2A- und 5-HT7-Rezeptoren und soll innerhalb von 6 Wochen Schizophrenie-Symptome lindern.
Xiapex: Im April 2012 war Schluss für das Collagenase-Produkt von Pfizer. Das Mittel ist zur Behandlung der Dupuytren’schen Kontraktur zugelassen, schaffte die Hürde der Nutzenbewertung aber nicht. Das IQWiG hatte bemängelt, dass keine geeigneten Daten über den Zusatznutzen vorgelegen hätten. Bei der Dupuytren'sche Krankheit bilden sich gutartige Geschwülste in der Handinnenfläche, die zu einer Verformung der Hand führen. Die Behandlung hätte einen operativen Eingriff vermeiden können.
Betmiga: Astellas versuchte, den Wirkstoff Mirabegron zur Behandlung der überaktiven Blase (OAB) in den Handel zu bringen. Im November 2014 war der Versuch gescheitert: Mit dem GKV-Spitzenverband konnte Astellas in den Preisverhandlungen für das Mittel gegen Reizblase keinen Konsens erzielen. Zuvor hatte der G-BA einen Zusatznutzen als nicht belegt angesehen. Als erster Vertreter der Beta-3-Adrenozeptoragonist fördert Mirabegron die Relaxation der glatten Blasenmuskulatur und wird eingesetzt zur symptomatischen Therapie von imperativem Harndrang, erhöhter Miktionsfrequenz und Dranginkontinenz.
Fycompa: Eisai ist auf Präparate im Bereich Neurologie und Onkologie spezialisiert. Mit dem Antiepileptikum Perampanel versuchte es der japanische Hersteller gleich zweimal beim G-BA. Bereits 2013 konnte kein Zusatznutzen festgestellt werden, da keine validen Daten zur zweckmäßgen Vergleichstherapie vorgelegt wurden. 2014 versuchte es Eisai mit neuen Daten; überzeugen konnte es das IQWiG nicht.
Trobalt: Ebenfalls zur Behandlung der Epilepsie zugelassen ist Retigabin. Bereits 2012 hatte Glaxo Smith Kline (GSK) eine erste Nutzenbewertung durchführen lassen und war gescheitert. Auch die erneute Nutzenbewertung, für die GSK 2014 weitere Daten eingereicht hatte, scheiterte.
Provenge: Das einzige Onkologikum auf der Liste der zurückgenommenen Arzneimittel ist Sipuleucel-T. Das Präparat der britischen Herstellers Dendreon sollte zur Behandlung des Prostatakarzinoms eingesetzt werden. Sipuleucel-T enthält autologe, mononukleäre Zellen des peripheren Bluts, die mit PAP-GM-CSF aktiviert sind.
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