Nach dem Tod einer 28-Jährigen und ihres ungeborenen Kindes infolge einer selbstabgefüllten giftigen Glukose-Lösung sind viele Apotheker schockiert. Denn es handelt sich dabei um keinen aufwändigen Vorgang. „Das gehört zum täglichen Brot einer Apotheke“, sagt der Geschäftsführer der Apothekerkammer Nordrhein, Stefan Derix.
Zahlreiche Apotheken beliefern Arztpraxen regelmäßig mit Glukosepulver. Im Labor wird die Substanz aus einem großen Gefäß in kleine Papiertütchen mit der entsprechenden Menge abgefasst. Es gebe auch Fertigprodukte für solche Glukose-Tests, in der Regel werde die benötigte Menge aber zur sofortigen Verwendung aus einem größeren
Behältnis in ein Papiertütchen abgefüllt, sagte Apothekerin Dagmar Hussmann, die an der PTA-Akademie in Köln pharmazeutischen Nachwuchs ausbildet.
Bislang brachte diese Vorgehensweise keine Probleme mit sich. „Wir reden hier über eine sehr triviale pharmazeutische Tätigkeit, fügt Derix hinzu. Außerdem dürften solche Aufgaben nur von geschultem Personal – also Apothekern oder pharmazeutisch-technischen Assistenten – erledigt werden.
Die schwangeren Frauen trinken mit ärztlicher Begleitung das Gemisch, einige Stunden später bekommen sie Blut abgenommen – damit wird dann bestimmt, ob sie Schwangerschaftsdiabetes haben – oder nicht. Der Test ist in Deutschland absoluter Standard: Er wird von Ärzten empfohlen und von Krankenkassen bezahlt. Er sei für Frauen mit keinerlei Risiken verbunden, heißt es in einer Info-Broschüre des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Schwangere können weiterhin bedenkenlos den Test durchführen, sofern er nicht aus der Kölner Heilig-Geist-Apotheke stammt. Es gebe keinen Anlass für ein generelles Misstrauen gegenüber selbsthergestellten Arzneimitteln, sagte ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold. Auch die Ermittler sehen keine Anzeichen dafür, dass auch Arzneimittel aus anderen Apotheken verunreinigt sein könnten.
Die Staatsanwaltschaft Köln ist derzeit dabei, Zeugen zu vernehmen. Zunächst stehen die Apothekenmitarbeiter im Fokus. „Wir müssen herausfinden, wer an dem Tag, als die Glukosemischungen verabreicht wurden, für was zuständig war“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Dazu zähle auch die Frage, wer Zugang zur Rezeptur hatte. Die Angestellten gelten hierbei als Zeugen, nicht als Beschuldigte, betont Bremer.
Zudem versuchen die Ermittler weitere Frauen zu finden, die mit der Glukosemischung in Kontakt kamen. Zudem müsse noch geklärt werden, ob das Ungeborene tatsächlich an den Folgen des toxischen Gemischs oder durch den Notkaiserschnitt starb. Schließlich befand sich die Frau erst in der 25. Schwangerschaftswoche, was die Erfolgschancen eines Kaiserschnitts gering mache. Die Auswertung entsprechender Gutachten dauere aber noch einige Wochen, dämpfte der Oberstaatsanwalt die Hoffnung auf schnelle Ergebnisse.
Die Heilig-Geist-Apotheke ist unterdessen weiter geöffnet. Nur Rezepturen dürfen nicht abgegeben werden. Der Apotheker zeigte sich nach den Todesfällen sichtlich mitgenommen. „Das ist eine unvorstellbare persönliche Tragödie“, sagte er gestern. Wie das Gift in das Glukosegemisch gelangen konnte, sei ihm ein Rätsel: „Ich bin fassungslos, ich kann es mir nicht erklären“.
APOTHEKE ADHOC Debatte