Frauen und Männer sind unterschiedlich anfällig für Krankheiten. Anscheinend üben geschlechtsspezifische Unterschiede auch Effekte auf die Wirkung von Arzneimitteln aus. Denn Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg haben kürzlich eine interessante Entdeckung gemacht: Sie berichten im Fachjournal „EMBO Molecular Medicine“ von einem Gen, das geschlechtsabhängig für die Wirkung der Glitazone entscheidend sein soll.
Glitazone gehören zur Gruppe der Thiazolidindione, da das chemische Grundgerüst ein Thiazol-2,4-dion ist. Sie erhöhen die Insulinempfindlichkeit, indem sie im Zellkern den Rezeptor PPAR-gamma (Peroxisome Proliferator-Activated Receptor gamma) aktivieren. Dadurch wird die Regulation verschiedener Stoffwechselwege beeinflusst, unter anderem auch die Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin. Zudem können sie Umwandlung von ungesundem weißen in fettverbrennendes beiges Fettgewebe fördern.
Nachteil: Sie werden mit kardiovaskulären Risiken und dem Auftreten von Blasenkrebs in Zusammenhang gebracht. Daher finden sie in Deutschland kaum Anwendung. Aus der Gruppe der Glitazone ist derzeit nur Pioglitazon als Monopräparat und als Kombipräparat mit Metformin zugelassen. In Anbetracht des Nebenwirkungsspektrums (Gewichtszunahme, Ödembildung und Herzinsuffizienz) ist es zum Beispiel bei Unverträglichkeit von Vergleichsmedikamenten zu empfehlen.
Pioglitazon kann nur noch in begründeten Ausnahmefällen zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden, im Jahre 2010 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Glitazone von der Verordnung zu Lasten der GKV ausgeschlossen. Rosiglitazon wurde aufgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils im November 2010 vom Markt genommen; derzeit ruht die Zulassung.
Doch für Wissenschaftler sind Glitazone trotzdem sehr interessant, da diese Arzneimittel – anders als bei den gängigen Antidiabetika – ursächlich wirken. Deshalb wollten die DKFZ-Forscher herausfinden, ob die positiven Effekte dieser Arzneistoffe genutzt werden könnten, ohne dass die gefürchteten Nebenwirkungen auftreten. In diese Richtung ist ihnen ein erster wichtiger Schritt gelungen: Sie haben in ihrer präklinischen Studie herausgefunden, dass durch eine Behandlung mit Glitazonen wie Rosiglitazon und Pioglitazon das Gen Cited4 aktiviert wird. Sie beobachteten, dass die Wirkung der Arzneistoffe abhängig von der Funktion dieses Gens war. „Allerdings galt dies nur für weibliche Mäuse, nicht aber für die Männchen“, berichtet Dr. Alex Vegiopoulos vom DKFZ.
Als die Forscher Cited4 bei männlichen Mäusen inaktivierten, funktionierten die Glitazone bei den Tieren trotzdem weiter ganz normal. Auf die weiblichen Labortiere traf das nicht zu: Ohne das Gen wurde die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen nicht verbessert, was auf eine verminderte Förderung der Umwandlung von weißem in beiges Fettgewebe zurückzuführen war. Für die Behandlung des oft durch Übergewicht bedingten Typ-2-Diabetes spielt den Wissenschaftlern zufolge dieser zweite Wirkaspekt der Glitazone eine wichtige Rolle.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Effekt auch beim Menschen von Bedeutung ist: „Bei Männern funktioniert der Wirkmechanismus der Glitazone möglicherweise unabhängig von dem Gen, bei Frauen ist das Gen dagegen zwingend notwendig“, resümiert Vegiopoulos. Für die Entwicklung neuer Diabetes-Therapien, die auf dem Wirkmechanismus der Glitazone beruhen, sollte der unterschiedliche Metabolismus bei Männern und Frauen berücksichtigt werden, fordert der Wissenschaftler. Bislang werden neue Wirkstoffe noch vorwiegend bei männlichen Tieren untersucht. Die Studienergebnisse legen nahe, dass Wirkstoffe in den frühen Stadien auch an weiblichen Tieren erforscht werden und im späten Stadium sowohl an Frauen als auch an Männern getestet werden sollten.
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