Der Kahlschlag bei den Antidiabetika geht weiter. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat für Saxagliptin den Zusatznutzen gestrichen. Damit bleibt mit Sitagliptin nur ein einziger Vertreter der Substanzklasse verfügbar, bei dem zumindest ein „Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen“ gesehen wird.
Der G-BA hatte 2013 für Saxagliptin und Sitagliptin aufgrund des geringen Risikos einer Unterzuckerung im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen gesehen. Die Entscheidung war aber auf drei Jahre befristet, weil Daten zum kardiovaskulären Risiko fehlten.
Jetzt mussten die Hersteller Langzeitdaten für die Monopräparate sowie die Kombination mit Metformin vorlegen: AstraZeneca für Onglyza und Komboglyze, MSD Sharp & Dohme für Januvia und Janumet.
„Zum Zeitpunkt der Erstbeschlüsse liefen für Saxagliptin und Sitagliptin Langzeitstudien mit jeweils etwa 15.000 Patientinnen und Patienten“, erklärte G-BA-Chef Josef Hecken. „Die Ergebnisse dieser Studien haben aufgrund der Erfassung der kardiovaskulären Ereignisse, der Größe und der Dauer der Studien eine besondere Versorgungsrelevanz.“ Entgegen aller Erwartungen hätten keine positiven Ergebnisse hinsichtlich der kardiovaskulären Endpunkte und in der Gesamtmortalität vorgelegt werden können. „Gegenüber der Behandlung mit den etablierten Standardtherapien zeigten die Studien hingegen sogar Risikosignale: in Hinblick auf Herzschwäche für Saxagliptin und hinsichtlich Netzhauterkrankungen für Sitagliptin“, so Hecken.
Bei Saxagliptin konnte der G-BA nach eigenen Angaben aufgrund der großen Relevanz der Entwicklung einer Herzinsuffizienz bei Diabetikern keinen Zusatznutzen aussprechen. Auch für die Kombination mit Metformin gab es laut G-BA keine Studienauswertungen, die die speziellen Anwendungsvoraussetzungen der Kombinationspräparate adäquat berücksichtigten. Ein Zusatznutzen gilt daher weder für Saxagliptin/Metformin noch für Sitagliptin/Metformin als belegt.
Bei Sitagliptin als Monosubstanz gibt es dagegen zunächst keine Herabstufung. Aufgrund der Unsicherheiten bezüglich der aufgetretenen Retinopathien und noch fehlender Daten zu Hypoglykämien in der kardiovaskulären Langzeitstudie wurde der Beschluss jedoch erneut befristet.
Beide Präparate bleiben weiterhin verordnungs- und erstattungsfähig. AstraZeneca will mit dem GKV-Spitzenverband über den Preis verhandeln; noch ist unklar, ob der Konzern das Präparat bei einem Scheitern vom Markt nehmen würde. Laut AstraZeneca werden etwa 145.000 Diabetiker vom Typ-2 mit den Präparaten behandelt.
AstraZeneca wäre nicht der erste Hersteller, der die Reißleine zieht. Boehringer hatte seine Linagliptin-Präparate Trajenta und Jentadueto 2013 vom Markt genommen, nachdem sie auch im zweiten Anlauf durchgefallen waren. Novartis hatte sich nach gescheiterten Preisverhandlungen mit seinen Vildagliptin-Präparaten Galvus und Eucreas zum 1. Juli 2014 verabschiedet. Takeda war mit Alogliptin in Deutschland gar nicht erst angetreten.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft sieht die Gliptine als wichtige Arzneistoffklasse in der Behandlung des Typ-2-Diabetes. Die Kombination mit Metformin werde häufiger verordnet als Sulfonylharnstoffe, die der G-BA als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt habe.
Gliptine zählen zur Arzneiklasse der Dipeptidyl-Peptidase-4-(DPP-4)-Inhibitoren und haben eine blutzuckersenkende Eigenschaft. Die Wirkstoffe hemmen selektiv und kompetetiv DPP-4 und fördern die Insulinfreisetzung und -synthese aus den Betazellen. Zusätzlich wird die Glukose-Empfindlichkeit der Zellen verstärkt und die Aufnahme von Zucker ins Gewebe gefördert. Die Alphazellen reduzieren ihre Glucagonsekretion und die Leber vermindert ihre Glukoseproduktion. Eine 2er- oder 3er-Kombination mit Metformin, Sulfonylharnstoffen, Thiazolindion oder Insulin ist möglich. Nebenwirkungen können Harnwegsinfekte, Erkältungen oder Kopfschmerzen sein.
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