Gliptine: Einigung im Erstattungspreis APOTHEKE ADHOC, 22.08.2017 14:14 Uhr
Typ-2-Diabetiker können aufatmen – etwa 1,5 Millionen Patienten können weiterhin mit DPP-4-Hemmern behandelt werden. Der GKV-Spitzenverband und die Hersteller konnten sich für Sitagliptin und Saxagliptin sowie deren Kombinationen auf einen Erstattungspreis einigen und somit eine befürchtete Marktrücknahme verhindern.
Es war eng um die Gliptine. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) fürchtete das komplette Aus für die Präparate, was eine kostenintensive Umstellung vieler Diabetiker zur Folge gehabt hätte. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte den Hemmern der Dipeptidyl-Peptidase 4, die bereits seit zehn Jahren auf dem Markt sind, keinen Zusatznutzen zugesprochen. Mit der Entscheidung drohten die beiden Gliptine in die deutlich günstigere Festbetragsgruppe der Sulfonylharnstoffe zu fallen.
Die DDG kritisierte die Wahl der Vergleichssubstanz, „die nicht dem aktuellen Therapiestandard entspricht und ihrerseits noch nie einem Nutzenbewertungsverfahren unterworfen wurde“. Patienten würden verunsichert und könnten von einer geringeren Wirksamkeit des Medikamentes ausgehen, würde kein Zusatznutzen zugesprochen. „Wird – wie im aktuellen Fall – ein nicht vorhandener Zusatznutzen postuliert, bedeutet das nicht, dass ein Medikament schlecht ist oder schlecht wirkt.“
Januvia (Sitagliptin, MSD Sharp & Dohme) ist als Monopräparat auf dem Markt und als Janumet in der Fixkombination mit Metformin. Die Lizenzprodukte von Berlin-Chemie heißen Xelevia und Velmetia. Saxagliptin wird von AstraZeneca als Onglyza und in Kombination mit Metformin als Komboglyze vermarktet.
Bei Sitagliptin als Monosubstanz sah der G-BA zunächst „Anhaltspunkte für einen geringen Zusatznutzen“. Aufgrund der Unsicherheiten bezüglich der aufgetretenen Retinopathien und noch fehlender Daten zu Hypoglykämien in der kardiovaskulären Langzeitstudie wurde der Beschluss bei der erneuten Prüfung im vergangenen Jahr jedoch abermals befristet. Bei Saxagliptin konnte der G-BA nach eigenen Angaben aufgrund der großen Relevanz der Entwicklung einer Herzinsuffizienz bei Diabetikern keinen Zusatznutzen aussprechen.
Auch für die Kombinationen mit Metformin gab es laut G-BA keine Studienauswertungen, die die speziellen Anwendungsvoraussetzungen der Kombinationspräparate adäquat berücksichtigten. Ein Zusatznutzen gilt daher als belegt.
Gliptine hemmen selektiv und kompetetiv die Dipeptidyl-Peptidase 4 und fördern die Insulinfreisetzung und -synthese aus den Betazellen. Zusätzlich werden die Glukoseempfindlichkeit der Zellen verstärkt und die Aufnahme von Zucker ins Gewebe gefördert. Die Alphazellen reduzieren ihre Glucagonsekretion, die Leber vermindert ihre Glukoseproduktion. Der Blutzuckerspiegel sinkt, ohne die Gefahr der Unterzuckerung wie bei den Sulfonylharnstoffen. Eine 2er- oder 3er-Kombination mit Metformin, Sulfonylharnstoffen, Thiazolindion oder Insulin ist möglich. Nebenwirkungen können Harnwegsinfekte, Erkältungen oder Kopfschmerzen sein.
„Die Aussagekraft von solchen AMNOG-Verfahren ist missverständlich und kann Ärzte, die Öffentlichkeit und vor allem Patienten verunsichern“, kritisiert Professor Dr. Baptist Gallwitz, Pressesprecher der DDG. Dennoch ist man froh über die Einigung über den Erstattungspreis.