Glinide verschwinden ab Juli APOTHEKE ADHOC, 19.02.2016 12:05 Uhr
Die Schonfrist für die Glinide ist endgültig vorbei: Nur in medizinisch begründeten Einzelfällen soll die Erstattung der Antidiabetika zu Lasten der Kassen noch möglich sein. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte bereits 2010 beschlossen, die Verordnungsfähigkeit einzuschränken. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte sich zunächst gegen die Entscheidung gewehrt, war jedoch vor Gericht gescheitert. Ab Juli sollen die Regelungen in Kraft treten.
Der G-BA hatte im Juni 2010 orale Antidiabetika der Wirkstoffgruppen Glinide und Glitazone aus dem GKV-Leistungskatalog gestrichen. Obwohl die Substanzen bereits seit neun Jahren auf dem Markt seien, fehle ein Nutzennachweis in Form von evidenzbasierten klinischen Studien, so die Begründung. Für Diabetiker mit schweren Nierenfunktionsstörungen wurde eine Ausnahmeregelung getroffen – ihnen sollte der Wirkstoff Repaglinid weiterhin verordnet werden.
Das BMG hatte die Entscheidung kritisiert. Das Ministerium wollte die Gründe für den Ausschluss aus der Erstattung genauer wissen und hatte daher im August 2010 um zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen gebeten. Es war bereits die dritte Entscheidung des G-BA zur Diabetestherapie, die das BMG monierte: Im Mai desselben Jahres hatte das Ministerium eine Stellungnahme zum geplanten Ausschluss lang wirksamer Insulinanaloga zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern angefordert, parallel wurde auch zur Streichung der Glitazone nachgefragt.
Allerdings war das BMG mit der ersten Antwort des G-BA nicht zufrieden und forderte im Oktober 2010 eine weitere Stellungnahme. In diesem Schreiben ging das Ministerium vor allem auf wirtschaftliche Aspekte ein. Der G-BA sollte angeben, mit welchen Einsparungen die Kassen durch den Ausschluss der Glinide rechnen können. In seiner ersten Antwort sei das Gremium auf diese Frage nicht eingegangen.
Ende Februar 2011 schließlich – BMG und G-BA hatten sich immer noch nicht geeinigt – beanstandete das Ministerium den Beschluss, die beiden Antidiabetika NovoNorm (Repaglinid) von NovoNordisk sowie Starlix (Nateglinid) von Novartis von der Erstattung auszuschließen. Es fehlten Belege für die Unzweckmäßigkeit der Glinide gegenüber therapeutischen Alternativen, so die Kritik. Diese habe der G-BA auch nach mehrmaligen Aufforderungen nicht vorgelegt. Ein Verordnungsausschluss könne sich aber nicht darauf stützen, dass ein Nutzen für die Glinide nicht nachgewiesen sei.
Dagegen hatte der G-BA Klage beim LSG eingereicht – und Recht bekommen. Aus Sicht der Richter hatte das BMG seine Kritik zu spät vorgebracht, nämlich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist von zwei Monaten. Daher hielten die Richter die Beanstandung schon für formell rechtswidrig.
Die Richter kritisieren, das Ministerium habe versucht, die Beanstandung bis nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Januar 2011 zu verzögern. Revision wurde von Seiten des BMG nicht eingelegt. Bei den Glitazonen hatte sich der G-BA bereits durchgesetzt: Pioglitazon und Rosiglitazon sind von der Verordnung ausgeschlossen.
Seit 2005 sind die Verordnungen der beiden Glinide zurückgegangen; mit dem Patentablauf von Repaglinid und der Einführung von Generika war die Zahl 2013 wieder gewachsen und stagniert seitdem laut Arzneiverordnungsreport (AVR) bei rund 27 Millionenen Tagestherapiedosen (DDD), Nateglinid liegt bei einer Million DDD. Laut AVR könnten durch Umstellung auf Glimepirid 23 Millionen Euro gespart werden.