Die Zahlen der Antibiotika-Verordnungen sind rückläufig. Mit Blick auf die Ausbreitung von Resistenzen eine gute Nachricht, die aus einer Auswertung des BKK-Landesverbandes Nordwest hervorgeht. Dennoch bleibt Pharmakologe und Pharmakritiker Professor Dr. Gerd Glaeske skeptisch.
Laut Auswertung der Daten von neun Millionen Versicherten ist der Antibiotika-Verbrauch von 2013 bis 2017 um 13 Prozent gesunken. Jedoch zeigen sich regionale Unterschiede. Sichtbar wird dies am Beispiel Harnwegsinfekt im vierten Quartal 2017. Spitzenreiter ist Bremen. Hier haben 45 Prozent der Versicherten ein Antibiotikum aufgrund einer entsprechenden Diagnose erhalten. Wenig zurückhaltend waren auch die Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern (42 Prozent), Sachsen-Anhalt (41 Prozent) und im Saarland (40 Prozent). Unter dem Bundesdurchschnitt von 38 Prozent liegen unter anderem Hessen mit 23 Prozent und Berlin mit 31 Prozent.
Während in der Regel ein Harnwegsinfekt mit nur einem Antibiotikum behandelt werden muss, haben in einigen Regionen die Patienten aufgrund der Erkrankung verschiedene Antibiotika verordnet bekommen. Mehrfachverordnungen wurden vor allem in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hamburg ausgestellt. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt erhalten 8 Prozent weniger Betroffene eine Antibiose als in Niedersachsen.
„Wichtiger als der absolute Rückgang der Antibiotikaverschreibungen ist es, die richtigen Antibiotika auch richtig einzusetzen“, mahnt Glaeske. Hier kann ein Antibiogramm helfen. In Berlin und Sachsen-Anhalt wurde bei etwa jedem zehnten Patienten mit einem Harnwegsinfekt ein Antibiogramm durchgeführt. In Nordrhein-Westfahlen bei jedem 20. Patienten. Das Saarland liegt im Vergleich weit abgeschlagen. Hier wurde nur bei etwa jedem 100. Patienten ein Antibiogramm durchgeführt. Der Bundesdurchschnitt liegt laut Auswertung bei 4,8 Prozent.
Vor Kurzem wurde der Einsatz von Fluorchinolonen weiter eingeschränkt. Die Breitbandantibiotika werden immer mehr zur Reserve, der Grund: Ciprofloxacin, Levofloxacin & Co. können möglicherweise irreversible und lang anhaltende Nebenwirkungen verursachen, die vor allem die Sehnen und das Nervensystem betreffen. Fluorchinolone sollen nicht mehr zur Prävention von rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege oder der Behandlung von leichten bis mittelschweren Infektionen – einschließlich unkomplizierter Zystitis – angewendet werden. Dennoch kam die Stoffgruppe 2017 bei mindestens 30 Prozent der Patienten mit einem Harnwegsinfekt zum Einsatz.
Ein Antibiogramm kann auch bei anderen Erkrankungen den zielgenauen Einsatz des Antibiotikums sichern. Als Beispiel nennt der BKK-Verband den Erkältungsschnupfen, der oft von Viren ausgelöst wird. Hier erhalten im Bundesdurchschnitt 13 Prozent der Betroffenen ein Antibiotikum. Verhaltener sind die Ärzte in Hessen, hier erhalten nur 7 Prozent der Patienten mit einem Erkältungsschnupfen ein Antibiotikum. Das Saarland liegt mit 17 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Etwa zwei Drittel der Verordnungen kommen von Fachärzten wie HNO- oder Kinder-Ärzten.
„Angesichts der medizinisch nicht erklärbaren Verordnungsunterschiede brauchen wir mehr Diskussion über regionale Erfolgsrezepte innerhalb der Ärzteschaft“, sagt Dr. Dirk Janssen, stellvertretender Vorstand des BKK-Verbands. Der Landesverband setzt sich für einen rationalen Einsatz von Antibiotika und der Durchführung von den in den medizinischen Leitlinien empfohlenen Testverfahren ein.
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