Das Gesunde-Herz-Gesetz (GHG) hat im zweiten Anlauf und in abgespeckter Version das Kabinett passiert. Umstritten war insbesondere, ob die Pläne zu unnötigen Verordnungen von Arzneimitteln führen könnten. Bei seinem Auftritt vor der Presse verwies Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Entwurf einer Publikation von Professor Dr. Afschin Gandjour von der Frankfurt School of Finance and Management mit dem Titel „Bestimmung kostensparender Risikoschwellenwerte für die Verwendung von Statinen“. Allerdings ist die Studie noch gar nicht final geprüft.
Die Studie untersucht die Kosteneffizienz von Statinen in Deutschland, mit dem Ziel, bessere Verschreibungskriterien zu finden. Mit einem entscheidungsanalytischen Ansatz wurden Sekundärdaten analysiert, um die Kosten durch vermiedene kardiovaskuläre Ereignisse zu berechnen und diese mit den Behandlungskosten und Nebenwirkungen zu vergleichen.
Dabei zeigte sich, dass eine maximale Behandlungszahl (NNT) von 40 erforderlich ist, um in zehn Jahren Kosten zu sparen; das entspricht einer Mindestrisikoschwelle von 9,8 Prozent. Etwa 22 Prozent der deutschen Bevölkerung haben ein Zehn-Jahres-Risiko von rund 10 Prozent, wodurch potenziell zwischen rund 300.000 bis 700.000 kardiovaskuläre Ereignisse und circa 18 Milliarden Euro eingespart werden könnten.
Die Forschenden um Gandjour schlagen deshalb vor, den aktuellen Verschreibungsgrenzwert von 20 Prozent auf 9,8 Prozent zu senken, um die Anzahl der Patienten, die von Statinen profitieren, zu erhöhen und sowohl gesundheitliche als auch wirtschaftliche Vorteile zu erzielen.
Diese von Lauterbach angeführte Studie ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn: Bislang liegt sie lediglich als Preprint ohne Peer-Review Verfahren vor. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass der Artikel noch nicht der formellen Begutachtung durch Expert:innen unterzogen wurde.
Diese Art der Veröffentlichung ermöglicht es den Forschenden zwar, ihre Ergebnisse schnell mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu teilen und Rückmeldungen zu erhalten, bevor die umfassende Überprüfung durch Fachkollegen erfolgt. Da der Artikel jedoch noch nicht von unabhängigen Experten überprüft wurde, fehlt die Validierung der Qualität, Genauigkeit und Bedeutung der Forschung.
Peer-Review ist ein wesentlicher Schritt in der wissenschaftlichen Veröffentlichung, um sicherzustellen, dass die Forschung robust und zuverlässig ist. Fehlt dieser Prozess, gibt es keine Garantie dafür, dass die Ergebnisse korrekt sind oder den wissenschaftlichen Standards entsprechen.
Die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen soll durch das GHG verbessert werden. Eine der zentralen Maßnahmen ist die Erweiterung der Verschreibungsfähigkeit von Statinen. Studien hätten laut Kabinettsentwurf gezeigt, dass Lipidsenker das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken und die Lebenserwartung erhöhen können. Daher werde eine gesetzliche Regelung eingeführt, die den Anspruch auf Versorgung mit Lipidsenkern stärkt, insbesondere in bestimmten Risikokonstellationen. Die Festlegung der konkreten Risikokriterien erfolge durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA).
Ziel laut aktuellem Kabinettsentwurf sei es, Statine frühzeitiger und gezielter zu verschreiben, um schwere kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu verhindern. Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen nicht nur hohe Krankheitskosten, sondern haben auch eine große gesundheitspolitische Bedeutung. Denn: Im Jahr 2020 wurden laut GHG-Entwurf durch kardiovaskuläre Erkrankungen in Deutschland Kosten von rund 56,7 Milliarden Euro. Davon seien 60 Prozent von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen worden.
Das Gesetz sieht deshalb ein umfassendes Maßnahmenpaket vor, das neben der erweiterten Statin-Verschreibung auch eine bessere Früherkennung, Versorgung und Reduzierung des Nikotinkonsums umfasst. Dies soll zu einer Senkung der Krankheitslast und damit der Kosten für das Gesundheitssystem führen. Eine frühe ambulante Therapie könne laut Gesetzesentwurf erhebliche Kostenvorteile gegenüber späteren, teureren stationären Behandlungen bringen.
Das Ziel: Durch die Maßnahmen der Gesetzesvorlage soll die Krankheitslast reduziert werden. Dies könne laut GHG-Entwurf zu Einsparungen für die gesetzliche Krankenversicherung führen. Langfristig könnten diese Einsparungen die Kosten des Gesetzes übersteigen.
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