Gewichtsreduktion: Semaglutid besser als Liraglutid APOTHEKE ADHOC, 19.09.2018 12:27 Uhr
Eine kleine Studie zeigte bereits, dass das Antidiabetikum Semaglutid zu einer Gewichtsreduktion führen kann. Forscher haben nun erstmals die Wirksamkeit von Semaglutid wissenschaftlich untersucht und mit der von Liraglutid verglichen. Der im Fachjournal „The Lancet” veröffentlichten Ergebnisse zufolge führt eine Therapie mit Semaglutid zu mehr Gewichtsverlust. Gibt es bald ein Arzneimittel mehr in der Liste der Antiadiposita? Studienleiter Professor Dr. Andreas Birkenfeld, Leiter des Studienzentrums Metabolisch-Vaskuläre Medizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, ist optimistisch.
Liraglutid, der Wirkstoff des Antidiabetikums Victoza (Novo Nordisk), ist seit April 2016 auch als Abnehmmittel unter dem Handelsnamen Saxenda verfügbar. Der GLP-1-Rezeptoragonist soll unter anderem als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität eine Gewichtsreduktion bewirken. Das Präparat wird nur Patienten mit einem Body-Mass-Index von mehr als 30 eingesetzt. Bei Patienten, bei denen Übergewicht zu Komplikationen führen kann – Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte oder obstruktive Schlafapnoe –, liegt die Grenze bei 27.
Semaglutid gehört wie Liraglutid in die Klasse der Glucagon-like Peptid-1 (GLP-1)-Analoga und ist derzeit nur als Antidiabetikum mit dem Namen Ozempic (Novo Nordisk) auf dem Markt. Eine randomisierte, doppelblinde Crossover-Studie über zwölf Wochen untersuchte im vergangenen Jahr die Wirkung an 30 adipösen Probanden. Nun wurden Wirksamkeit und Sicherheit erstmals an 957 Patienten in der Therapie der Adipositas erprobt. Die Patienten waren durchschnittlich 47 Jahre alt, wogen 111,5 kg, und hatten einen Body-Mass-Index (BMI) von 39,3 kg/m2. Die Studienteilnehmer erhielten entweder verschiedene Dosen von Semaglutid oder Liraglutid oder ein Placebo.
Die Arbeitsgruppe um Birkenfeld fand in der Phase II-Studie heraus, dass alle Semaglutid-Dosen im Vergleich zu Placebo deutlich das Körpergewicht reduzieren. Der mittlere Gewichtsverlust betrug -2,3 Prozent für die Placebogruppe gegenüber -6,0 Prozent (0,05 mg), -8,6 Prozent (0,1 mg), -11,6 Prozent (0,2 mg), -11,2 Prozent (0,3 mg) und -13,8 Prozent (0,4 mg) für die Semaglutid-Gruppen. Die mittleren Körpergewichtsreduktionen für Semaglutid 0,2 mg oder mehr gegenüber Liraglutid waren alle signifikant (-13,8 bis -11,2 Prozent gegenüber -7,8 Prozent). Mit der höchsten Dosierung an Semaglutid war es möglich, einen Patienten, der zuvor einen BMI von 35 kg/m2 und formal eine Adipositas Grad 2 hatte, auf einen BMI von 29 kg/m2 zurückzuführen. Damit war der Patient „nur” noch übergewichtig. Die Ergebnisse waren statistisch signifikant.
Alle Semaglutid-Dosen wurden im Allgemeinen gut vertragen, ohne dass neue Sicherheitsbedenken auftraten. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren dosisabhängige gastrointestinale Symptome und hauptsächlich Übelkeit. „Der Patient hat nicht nur abgenommen, sondern Semaglutid gut vertragen, die Nebenwirkungen entsprachen denen anderer bekannter GLP-1 Analoga und sind nicht als kritisch einzustufen. Die Forscher beobachteten neben den gewichtsreduzierenden auch andere Effekte: So wurden unter der Therapie mit Semaglutid auch der Blutzucker, der Blutdruck und die Blutfette deutlich gesenkt.
Mit Semaglutid werde erstmals eine Gewichtsreduktion erreicht, die sonst meist nur mit einer chirurgischen Therapie möglich war. „Diäten und Magenverkleinerungen sind sicherlich wichtig und auch so etwas wie der Königsweg, wenn es darum geht, das Gewicht zu reduzieren. Allerdings sind heute auch andere wirksame Methoden gefragt, um einer drohenden Diabetesepidemie etwas entgegenzusetzen“, sagt Birkenfeld.
Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass der Wirkstoff in absehbarer Zeit auch bei Adipösen Anwendung findet. Sie stützen sich bei Ihrer Anwendung darauf, dass Semaglutid nicht nur zu einer Gewichtsreduktion führt, sondern auch das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen reduziert. Das zeigen auch aktuelle Post-hoc-Analysen, bei denen Daten von mehr als 8000 Probanden herangezogen wurden.