„Gesundheitsrisiko“: Forscher fordern Rezeptpflicht für Diclofenac Deniz Cicek-Görkem, 13.09.2018 08:11 Uhr
Das kardiovaskuläre Risiko nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) ist seit langem in der Diskussion. Dänische Wissenschaftler haben in einer Studie die Nebenwirkungen von Diclofenac mit denen von Paracetamol, Ibuprofen und Naproxen verglichen. Ihre Ergebnisse sind alarmierend und stellen selbst die Sicherheit der kurzfristige Einnahme infrage.
Diclofenac ist hierzulande und auch in anderen Ländern einer der häufig genutzten Wirkstoffe gegen Schmerzen und Entzündungen. Seine kardiovaskulären Risiken im Vergleich zu anderer NSAR wurden allerdings nie in einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht.
Dänische Wissenschaftler haben in ihrer Untersuchung deshalb 252 Kohortenstudien analysiert, die jeweils die strengen Designkriterien einer klinischen Studie nachahmen. Als Grundlage für die Berechnungen wurden die Versorgungsdaten von dänischen Versicherten genutzt, von denen rund 1,37 Millionen Diclofenac, 3,9 Millionen Ibuprofen, 300.000 Naproxen und 765.000 Paracetamol einnahmen. Als Referenzwerte dienten die Daten von rund 1,3 Millionen Menschen, die keine Analgetika einnahmen. Die Wissenschaftler berechneten die Hazard Ratio von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen für die ersten 30 Tagen nach Beginn der Einnahme.
Den Ergebnissen zufolge stieg die Nebenwirkungsrate unter den Diclofenac-Anwendern im Vergleich zu Personen, die keine Schmerzmittel einnahmen, um 50 Prozent. Verglichen mit Naproxen lag dieser Wert bei 30 Prozent, bei Paracetamol oder Ibuprofen hingegen bei 20 Prozent. Die Forscher haben zudem herausgefunden, dass das Risiko für Vorhofflimmern bei Diclofenac-Anwendern um 20 Prozent, für einen Schlaganfall um 60 Prozent und für einen Herzinfarkt sogar um 90 Prozent erhöht waren.
Obwohl das relative Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse bei Personen mit Diabetes mellitus am höchsten war, war das absolute Risiko am höchsten bei Personen, die zuvor einen Myokardinfark hatten oder an einer Herzinsuffizienz litten. Außerdem hatten Personen, die mit Diclofenac therapiert wurden, ein 4,5-fach höheres Risiko für gastrointestinale Blutungen als diejenigen, die keine NSAR einnahmen. Bei Ibuprofen und Paracetamol wurde ein 2,5-fach erhöhtes Risiko dokumentiert; ähnlich sah es bei Naproxen aus.
Insgesamt war innerhalb der 30 Tagen die Rate für kardiovaskuläre Ereignisse bei Diclofenac am höchsten. Die Risikoerhöhung galt für Männer und Frauen jeden Alters gleichermaßen. Eine kurze Einnahmedauer und niedrige Dosen von NSAR wurden bislang als „risikoneutral” eingestuft – offensichtlich gilt das für Diclofenac nicht, denn erhöhte Risiken wurden in dieser Studie bereits innerhalb eines Monats und auch bei niedrigen Dosierungen beobachtet. Der Arzneistoff stelle deshalb ein „kardiovaskuläres Gesundheitsrisiko” dar.
Die Wissenschaftler können Störfaktoren nicht ausschließen, weil dem Studiendesign eine Randomisierung der Baseline, wie bei randomisierten kontrollierten Studien (RCT) üblich, fehle. Dennoch sei es Zeit, „das mögliche Gesundheitsrisiko von Diclofenac anzuerkennen und seine Verwendung zu reduzieren”, schreiben die Studienautoren. Sie fordern, dass Diclofenac generell unter die Rezeptpflicht gestellt wird und sprechen sich für einen Warnhinweis auf der Vorderseite der Arzneimittelverpackung aus.