Die Behandlung mit dem Gerinnungshemmer Pradaxa (Dabigatran) wird sicherer. Die EU-Kommission hat die europaweite Zulassung für das Antidot Praxbind (Idarucizumab) erteilt. Das Antikörperfragment von Boehringer Ingelheim neutralisiert die Wirkung des Thrombininhibitors und soll in seltenen Notfallsituationen eingesetzt werden.
Die Zulassung war nach einem beschleunigten Verfahren erteilt worden. Boehringer hatte Daten aus klinischen Studien mit 145 gesunden Freiwilligen eigereicht. Darunter waren Probanden mittleren und höheren Alters sowie solche mit Nierenfunktionseinschränkungen. Die Studienteilnehmer hatten über vier Tage zweimal täglich 220 Milligramm Pradaxa erhalten. Anschließend erhielten sie in einer fünfminütigen Infusion das Antidot in ein, zwei oder vier Milligramm.
Die Ergebnisse zeigten die sofortige, vollständige und anhaltende Aufhebung der gerinnungshemmenden Wirkung von Dabigatran durch Idarucizumab ohne die Gefahr einer gegensätzlichen Blutgerinnselbildung. Alle Dosierungen seien gut verträglich gewesen und hätten zur Aufhebung der Wirkung von Dabigatran geführt, so Boehringer. Wurden zwei oder vier Milligramm verabreicht, hielt die aufhebende Wirkung über einen Zeitraum von mehr als zwölf Stunden nach der Infusion an.
Unterstützt wurden die Ergebnisse von Daten einer laufenden Phase-III-Studie, bei der die Wirkung von Idarucizumab bei Dabigatran-Patienten, die eine notfallmäßige Operation oder Intervention benötigen oder bei denen unkontrollierte oder lebensbedrohliche Blutungskomplikationen auftreten, untersucht wird.
Die Sicherheit von Pradaxa war vielfach diskutiert worden. Als besonders problematisch wurde das fehlende Gegenmittel gesehen. Dabigatran bindet direkt an Thrombin und verhindert so die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Herkömmliche Antidote wie Vitamin K, Prothrombinkomplexfaktoren-Konzentrate (PPSB-Konzentrate) und gefrorenes Frischplasma (FFP) wirken daher nicht. Bislang standen nur rekombinanter Faktor VIIa oder aktivierte Prothrombinkomplex-Präparate für eine unspezifische Behandlung zur Verfügung.
Erschwerend kam hinzu, dass Gerinnungstests nur bedingt geeignet sind, um den Wirkspiegel zu messen, und dass Dabigatran – anders als Xarelto (Rivaroxaban, Bayer) und Eliquis (Apixaban, Pfizer/BMS) – überwiegend renal ausgeschieden wird. Daher ist Pradaxa bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen kontraindiziert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatten Behandlungshinweise für Ärzte herausgegeben.
In den USA ist Praxbind seit Oktober im Handel. 2014 hatte Boehringer einen Vergleich über 650 Millionen US-Dollar (rund 470 Millionen Euro) geschlossen, um 4000 Klagen wegen schwerer und zum Teil tödlicher Blutungen beizulegen.
Für die beiden Faktor-Xa-Hemmer Xarelto und Eliquis werden ebenfalls spezifische Antidote gesucht. Bayer versucht damit, Forderungen von Ärzten nach einem geeigneten Gegenmittel zu begegnen. Seit einigen Jahren führt der Leverkusener Konzern gemeinsam mit dem Mitvertreiber Janssen klinische Studien durch.
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