Keine Indikation, keine Dosierung Patrick Hollstein, 08.07.2015 15:24 Uhr
Die Beratung zu Homöopathika in der Apotheke wird womöglich komplizierter. Das Verwaltungsgericht Köln (VG) untersagte die Angabe von allgemeinen Dosierhinweisen in der Packungsbeilage für Produkte, die lediglich registriert sind. Wo keine Angaben zur Indikation möglich sind, darf es aus Sicht der Richter auch keine Hinweise zur Häufigkeit der Anwendung geben.
Homöopathika können vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen werden; dabei werden die Erfahrungen der homöopathischen beziehungsweise anthroposophischen Therapierichtung berücksichtigt. Die beanspruchte Indikation wird anhand von Literaturangaben zu den therapeutischen Ergebnissen abgeleitet.
Weil sich die Wirksamkeit – trotz des vereinfachten Verfahrens – mitunter nicht belegen lässt, gibt es zusätzlich die Möglichkeit, homöopathische Produkte registrieren zu lassen. Voraussetzung ist ein Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 (D4/C2) und ein Sicherheitsabstand von 1:100 zu einer möglicherweise verschreibungspflichtigen Konzentration. Bei der Registrierung muss der Hersteller lediglich Qualität und Unbedenklichkeit nachweisen. Eine Indikation haben solche Produkte nicht.
Aktuell sind laut BfArM rund 1250 zugelassene und 3700 registrierte Homöopathika auf dem Markt. Die Deutsche Homöopathische Union (DHU) wollte 2011 zwei Schüßler-Salben als Großpackungen registrieren lassen: Calcium fluoratum Salbe N D4 (Biochemisches Funktionsmittel Nr. 1) und Silicea Salbe N D 4 (Biochemisches Funktionsmittel Nr. 11).
Die aus den anderen Packungsgrößen bekannte Dosierungsempfehlung – Auftragung ein- bis zweimal täglich – lehnte das BfArM ab. Stattdessen sollte unter den Warnhinweisen vermerkt werden, dass zu Dosierung, Dauer und Art der Anwendung ein homöopathisch erfahrener Therapeut befragt werden sollte. Nach einigem Hin und Her klagte der Hersteller gegen den Bescheid.
Die Anwälte der DHU argumentierten, dass die Selbstmedikation ohne Angaben zur Dosierung „durch die Hintertür“ ausgeschlossen und eine mit dem Gesetz unvereinbare faktische Verschreibungspflicht begründet werde. Auch wenn sich die homöopathische Therapie nach dem Einzelfall richte, lasse sich aus den Monographien eine einheitliche Dosierungsempfehlung zumindest ableiten. Dazu komme, dass Angaben zur Dosierung bei der Registrierung gefordert würden und dass das BfArM in anderen Fällen auch Registrierungen mit entsprechenden Angaben erteilt habe.
Außerdem könnten Packungsbeilagen zusätzliche Angaben enthalten, die für die Information des Patienten wichtig seien – gerade Hinweise zur richtigen Anwendung garantierten erst die Unbedenklichkeit, so die Anwälte weiter. Andernfalls bleibe es dem Patienten überlassen, ob er sich den Rat eines Therapeuten zur Dosierung hole oder ob er sich die Informationen anderweitig beschaffe. Dies habe mit der Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nichts zu tun.
Auch gegen den geforderten Warnhinweis wehrte sich die DHU: Die Einholung therapeutischen Rates sei laut Arzneimittelgesetz (AMG) erst dann erforderlich, wenn die Krankheitssymptome fortbestünden, nicht aber bereits zu Beginn der Behandlung. Auch die Erstverschlimmerung rechtfertige lediglich eine Reduzierung der Dosierung, nicht aber deren „Streichung und Ersetzung durch einen differenzialdiagnostischen Hinweis, der die Selbstmedikation ausschließe“.
Da das BfArM auf den Warnhinweis verzichtete, wurde vor Gericht nur noch über die Dosierempfehlung gestritten. Das VG gab der Behörde auf ganzer Linie recht: Bei zugelassenen homöopathischen Arzneimitteln sei die Dosierung zwar unstreitig ein wesentliches Merkmal des Arzneimittels und der Zulassungsentscheidung.
Anders sehe der Fall aber bei registrierten Präparaten aus, für die das AMG gerade keine entsprechenden Angaben forderte. „Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die Anwendung eines registrierten homöopathischen Arzneimittels nicht bei Vorliegen eines bestimmten, geprüften Anwendungsgebietes, sondern bei Feststellung eines individuellen Beschwerdebildes in Übereinstimmung mit einem Arzneimittelbild und damit in einem Einzelfall erfolgt. Somit kann auch keine allgemeingültige, geprüfte Dosierung festgelegt werden“, heißt es in den Urteilsgründen.
Dass die Hersteller in ihren Anträgen Angaben zur Anwendung machen müssten, diene ausschließlich der Unbedenklichkeitsprüfung und führe nicht zu einem Automatismus: Auch bei Allopathika würden zusätzliche Informationen abgefragt, die trotzdem nicht in der Packungsbeilage auftauchten.
Die Festsetzung einer Dosierung sei auch nicht im Sinne der Unbedenklichkeit erforderlich, da diese bereits durch den Verdünnungsgrad garantiert werde. Sollten Hilfsstoffe ein Problem sein, könnte man immer noch einen entsprechenden Warnhinweis aufnehmen: Eine allgemeine Dosierempfehlung sei jedenfalls nicht notwendig – sondern möglicherweise sogar schädlich, wenn sie bei dem individuellen Krankheitsbild und Verlauf nicht angemessen sei.
Dass zugelassene Homöopathika Hinweise zur Dosierung enthielten, lasse keine Rückschlüsse auf registrierte Produkte zu. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) – in umgekehrter Richtung – bereits 2009 in einem Verfahren zu Glonoinum Vertigo Hevert klargestellt.
Eine generelle Dosierungsanleitung sei auch als freiwillige Angabe für die gesundheitliche Aufklärung des Patienten nicht wichtig oder geeignet: „Das Fehlen einer Indikation und der zugehörigen Dosierung verdeutlicht dem Patienten, dass er diese Medikamente nicht wie zugelassene Arzneimittel mit geprüfter Wirksamkeit und geprüften Anwendungsmodalitäten anwenden kann.“
Vielmehr trage der Patient selbst die Verantwortung dafür, dass die Arzneimittel entsprechend ihrer Zweckbestimmung für die Individualbehandlung eingesetzt würden. Ohnehin sei eine Reduzierung der Dosierung wegen der individuellen Anwendung nicht vorgesehen und damit zur Ausräumung eventueller Risiken nicht geeignet.
Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, einen Marktzugang für Arzneimittel ohne Anwendungsgebiet und ohne Wirksamkeitsnachweis zu schaffen, könne nicht dadurch umgangen werden, dass eine generelle Dosierungsanleitung als freiwillige Angabe aufgenommen werde, die im Sinne einer anerkannten Wirksamkeit bei Einhaltung der Dosierungshinweise missverstanden werden könne, heißt es weiter. Dies gelte umso mehr, als dass die entsprechenden Vorschriften erst 2005 explizit dahingehend geändert wurden.
Im Übrigen habe der Gesetzgeber durch die Einräumung der Möglichkeit, homöopathische Arzneimittel ohne eine Anwendungsgebiet im Wege der Selbstmedikation einzusetzen, dem Verbraucher zugebilligt, sich auch über die richtige Anwendung dieser toxikologisch unbedenklichen Arzneimittel selbst zu informieren, so das VG.
„Folglich steht es dem Anwender frei, einen Arzt, Heilpraktiker oder Apotheker um Rat zu fragen oder sich in den zahlreich zur Verfügung stehenden Ratgeberbüchern, dem Internet oder in Seminaren und Informationsveranstaltungen von Ärzten, Heilpraktikern oder Interessenverbänden die erforderlichen Informationen über das Arzneimittelbild und die Dosierung von registrierten homöopathischen Arzneimitteln selbst zu beschaffen.“
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, Sprungrevision zum BVerwG wurde zugelassen. Zumindest bei oral anzuwendenden registrierten Homöopathika gibt es das Problem nicht: Das BfArM hat sich mit den Herstellern angeblich darauf verständigt, in solchen Fällen nicht gegen Einnahmehinweise vorzugehen.