Antihistaminika der 1. Generation

Geriatrie: Hoggar & Co. weiter ohne Rezept

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Berlin -

Ältere Menschen können auch weiterhin Schlafmittel in der Apotheke ohne Rezept kaufen. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht lehnte einen Rx-Switch für sedierende Antihistaminika der ersten Generation für Patienten ab 65 Jahren ab. Jedoch werden sich die Experten weiter mit der Thematik unter Berücksichtigung der betreffenden Einzelsubstanzen beschäftigen.

Zur betroffenen Wirkstoffgruppe zählen neben Doxylaminsuccinat beispielsweise Dimenhydrinat und Diphenhydramin. Die Substanzen sind nicht spezifisch für den H1-Rezeptor: Daher durchdringen sie die Blut-Hirn-Schranke und lösen zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel oder Müdigkeit aus. Alle drei Wirkstoffe stehen auf der Priscus-Liste: Bei Doxylamin bestehe eine erhöhte Sturzgefahr für ältere Patienten. Diphenhydramin soll außerdem im Zusammenhang mit kognitiven Beeinträchtigungen älterer Personen stehen. Zudem scheinen Diphenhydraminpatienten ein erhöhtes Risiko für Delir-Symptome aufweisen.

Eine Rezeptpflicht für die gesamte Gruppe wurde zwar abgelehnt, jedoch sollen die Wirkstoffe nun einzeln unter die Lupe genommen und bewertet werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll die entsprechenden Unterlagen aufarbeiten.

Kommt es in Zukunft doch zu einer Unterstellung der Verschreibungspflicht von einzelnen Wirkstoffen der Gruppe, wäre es die erste gezielte Verkaufsabgrenzung für Senioren. Triptane dürfen zwar ebenfalls nur bis zum Alter von 65 Jahren rezeptfrei abgegeben werden, die ist allerdings auf die Zulassung zurückzuführen. Schon bei einer früheren Sitzung des Sachverständigenausschusses wurde darum gebeten, einen entsprechenden Antrag auf Unterstellung von Doxylamin unter die Verschreibungspflicht bei älteren Patienten zu stellen. Es wurde auch darum gebeten, eine generelle Verkaufsabgrenzung für Ältere zu überdenken.

Damals sprach sich der Sachverständigenausschuss mehrheitlich für einen Rx-Switch von Doxylamin bei der Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 18 Jahren aus. Seit Jahresbeginn gibt es entsprechende Präparate nur noch auf Rezept. Das Antihistaminikum ist eigentlich zur Beruhigung gedacht, führte teilweise aber zu paradoxen Reaktionen wie Unruhe, Halluzinationen, Angst und Krämpfen. Die größte Gefahr bestehe jedoch durch das mögliche Auftreten einer Atemdepression, wenn das Medikament überdosiert wird.

 

Experten sehen den Rx-Switch kritisch: Professor Dr. Ingo Fietze, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums an der Charité und Vorsitzender der Deutschen Stiftung Schlaf, warnt vor einer drohenden „extremen Versorgungslücke“. Fietze räumt ein, dass zum Schutz der Patienten vor eventuellen Nebenwirkungen gewisse Regularien notwendig seien. „Für die Antihistaminika brauchen wir jedoch keine Verschreibungspflicht, sondern mehr Aufklärung und mehr kompetente schlafmedizinisch tätige Ärzte.“ Was man also eher brauche als eine Rezeptpflicht, sei Aufklärung, wie man Schlafstörungen verhindern kann – „damit das Heer der Schlaflosen nicht weiter wächst und wächst“.

Man tue älteren Menschen mit akuten oder chronischen Schlafstörungen keinen Gefallen, wenn man ihnen die wenigen noch frei verfügbaren Mittel vorenthalte beziehungsweise den Zugang erschwere, mahnt Fietze. „Das kann man machen, wenn es ein breites Netzwerk von Schlafmedizinern, die aufklären, helfen und behandeln, gibt. Doch davon sind wir weit entfernt.“ Aus seiner Sicht gibt es in Deutschland eine „extreme Versorgungslücke“, was die Betreuung von Patienten mit einer chronischen Schlafstörung betrifft. Daher wäre anstelle von Restriktionen eine intensivere Information der Patienten über das Thema Schlaf, den Umgang mit Schlafstörungen und die Anwendung von schlaffördernden Mitteln angezeigt. „Will man den Schlafmittelgebrauch bei Älteren beeinflussen, dann sollte man mit einer besseren Aufklärung der Betroffenen, der Pflegenden, der Betreuer, der Apotheker sowie der Hausärzte und Allgemeinmediziner anfangen. Das hilft mehr als eine neue Regelung, die zudem auf fraglicher Evidenz beruht.“

Aus seiner klinischen Erfahrung funktioniere der Umgang mit Schlafmitteln über eine begrenzte Zeit „sehr gut“. Gerade für ältere Menschen seien entsprechende OTC-Medikamente hilfreich, weil sie oft nur als Bedarfsmedikation benötigt würden und die Betroffenen gar kein vom Arzt verschriebenes Medikament haben wollten – allein schon wegen des zusätzlichen Weges. „Viele ältere Patienten nutzen diese Mittel vor besonderen Tagen, an denen sie ausgeschlafen sein wollen oder auf Reisen oder bei der Gewöhnung an eine fremde Schlafumgebung, oder um sich zumindest einmal in der Woche auszuschlafen.“

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