Genotypisierung: Stada überzeugt Glaeske Deniz Cicek-Görkem, 30.11.2018 10:52 Uhr
Eine Herausforderung bei der antidepressiven Therapie ist das unterschiedliche Ansprechen der Patienten auf die verschiedenen Arzneistoffe. Hintergrund ist die individuelle Genkonstellation. Um den genetischen Polymorphismus bei Patienten mit einer Major Depression zu erforschen, hat Stada 2017 die Genadet-Studie („Genotypisierung der Antidepressiva-Therapie”) ins Leben gerufen. Die Untersuchung wird unter anderem von Professor Dr. Gerd Glaeske begleitet. Der Gesundheitsökonom aus Bremen hatte sich vor einigen Jahren noch gegen Gendiagnostik aus der Apotheke ausgesprochen. Im Rahmen eines Symposiums machte er sich gemeinsam mit weiteren Kollegen für die „stratifizierte Arzneimitteltherapie” stark und stellte die Ziele der Studie vor.
Bei der Metabolisierung von Arzneistoffen spielen Enzyme der Cytochrom-P450-Familie, kurz CYP, eine bedeutende Rolle. Sie hydroxylieren C-H-Bindungen und dienen damit der Oxidation vieler körpereigener und körperfremder Substanzen. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit zahlreicher Arzneimittel sind abhängig von der Funktionsfähigkeit dieser Enzyme. 90 bis 95 Prozent dieser Enzyme finden sich in der Leber. Beim Menschen sind etwa 60 Untertypen von CYP-450 bekannt. Dazu gehören beispielsweise CYP2C19 und CYP2D6.
Auf diese beiden Subtypen fokussiert sich die Genadet-Studie. Hintergrund ist, dass viele Antidepressiva mehr oder weniger über diese Enzyme verstoffwechselt werden. „Daher geht es um die Identifikation von Patientenguppen in einer behandlungsbedürftigen Gesamtpopulation mit dieser ‚genetischen Ausstattung‘ – oder ‚Stratifikation‘”, erklärte Glaeske.
Zu den primären Endpunkten gehören ein nicht zufriedenstellender Therapieverlauf sowie die Analyse des Polymorphismus. Die Studie hat ein multizentrisches, prospektives, nicht-interventionelles Studiendesign und wird in Rheinland-Pfalz, Hessen und im Saarland durchgeführt. Die Beobachtungsdauer beträgt sechs bis acht Wochen. Derzeit läuft die Rekrutierungsphase; 50 Patienten wurden bereits in die Untersuchung eingeschlossen. Insgesamt sollen es 400 werden.
Zu den Einschlusskriterien gehören unter anderem ambulant behandelte Patiente mit der Diagnose Major Depression, die zuvor eine medikamentöse Ersttherapie mit Citalopram, Escitalopram, Amitriptylin und Venlafaxin seit maximal zwei Wochen bekommen haben. Patienten, die beispielsweise eine Komedikation mit Einfluss auf CYP2C19 und CYP2D6 bekommen, werden von der Studie ausgeschlossen. Letzteres gilt auch für Patienten, die zusätzlich Johanniskrautpräparate, Grapefruit und/oder tryptophanhaltige Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Die DNA-Analyse übernimmt das hessische Biotechunternehmen Humatrix, mit dem der Generikakonzern eine Vertriebsvereinbarung geschlossen hat.
Mit dem Test „Stada Diagnostik Antidepressiva DNA“ soll untersucht werden, bei wie vielen Studienteilnehmern der Abbau von Arzneistoffen durch genetische Polymorphismen verändert ist. „Es soll die Frage beantwortet werden, ob eine Korrelation zwischen wenig zufriedenstellenden Therapieverläufen und den Ergebnissen der Genotypisierung erkannt werden kann”, so Glaeske.
„Wenn die Antwort positiv ausfällt, könnten Tests zur Genotypisierung eine Unterstützung für die Wahl eines adäquaten Antidepressivums bei einer behandlungsbedürftigen Major Depression sein.” In der Konsequenz könnten Therapieverläufe optimiert, unerwünschte Wirkungen verringert, eventuell stationäre Aufenthalte vermieden und Arbeitsunfähigkeit verkürzt werden.
Die ersten Studienergebnisse erwartet der Pharmakologe im Jahr 2019. Diese sollen dabei als Vorbereitung für eine andere Studie dienen: „Genadet ist die erste Studie eines Studienprogramms. In einer folgenden, randomisiert durchgeführten Studie soll die Relevanz des Gentests in der Behandlung der Major Depression evaluiert werden”, sagte Studienleiterin Dr. Anke Brockhaus-Dumke.
Der in der Studie zur Anwendung kommende Test ist bereits seit mehreren Jahren in Deutschland erhältlich und wird bislang nicht von den Krankenkassen erstattet.
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) sieht in dem Projekt Potenzial, die Versorgung von depressiven Patienten zu optimieren. Grundvoraussetzung für eine Finanzierung bilde dabei der wissenschaftliche Nachweis eines Nutzens; dieser fehlt bislang. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) rät deshalb aktuell von einer Anwendung in der ärztlichen Praxis ab.