Eine neue Leitlinie zur antiretroviralen Therapie bei HIV-Infektionen löst die alten Empfehlungen aus dem Jahr 2015 ab. Was Professor Dr. Johannes Bogner auf den 17. Münchener AIDS- und Hepatitis-Tagen (MAHT) präsentierte, bietet Zündstoff und hat Regresspotential.
Künftig wird das inzwischen generische Tenofovir-Disoproxilfumarat (TDF) als First-Line-Therapie von Tenofovir-Alafenamid (TAF) abgelöst. Backbone der Wahl ist dann die Kombination aus TAF und Emtricitabin (FTC). Das Duo TDF und FTC ist lediglich als Alternative gelistet. Die zusätzlichen Kombinationen, die nötig sind um das Therapieregime zu vervollständigen, bleiben unverändert.
Demnach sollen alle neu mit dem HI-Virus infizierten Patienten auf beispielsweise Descovy (TAF/FTC, Gilead) eingestellt werden. Bogner spricht von einem Phänomen der „Switcheritis“. Jedoch gebe es keine Hinweise, dass der günstigere Verlauf unter TAF eine klinische Relevanz habe. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sprach dem Wirkstoff einen Zusatznutzen ab, obwohl Studien positive Hinweise liefern. Demnach soll der Wirkstoff das Risiko für Nephrotoxizität und Knochenschwund senken.
Laut Bogner sollen Ärzte nur entsprechende Risikopatienten auf den nicht-generischen Wirkstoff einstellen. Sonst gelte es das Wirtschaftlichkeitsgebot einzuhalten: „Generika tun nicht weh“, schließlich sei die Bioäquivalenz der Produkte bestätigt. Patienten müssten nur entsprechend informiert werden.
Diese Einstellung begrüßt Johann Fischaleck von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), denn in Bayern wird es ab 1. Juli eine Generikaquote geben. Dies sei angesichts der Summen, die im Rahmen der HIV-Therapie anfielen, nötig. In Bayern werden jährlich 130 Millionen Euro für die Behandlung ausgegeben. Für den neuen Block der HIV-Therapien werden die topischen Antimykotika weichen. Die Vereinbarung setzt TAF und TDF gleich, denn auch bei der KV Bayern sieht man für TAF keinen Zusatznutzen. Andere KVen könnten jedoch anders entscheiden und andere Wirtschaftlichkeitsbewertungen abgeben – dann würden Patienten bundesweit unterschiedlich behandelt.
Aktuell liege die Generikaquote im Therapiebereich HIV in Bayern bei 18,9 Prozent, in Westfalen-Lippe seien es 31,2 Prozent. Laut Fischalek könnte den Ärzten in Bayern eine Generikaquote von 30 Prozent vorgegeben werden. Möglicherweise müssen die Mediziner die Patienten zurückswitchen und auf die generischen Therapien umstellen. Für Fischalek ist dies kein Problem, wenn es sich nicht um Risikopatienten handelt. Wer seine Quote nicht erfülle, werde geprüft. Dabei handele es sich um Richtwerte, ein Blick in die Unterlagen könne möglicherweise den Malus aufklären. Zählt ein Arzt beispielsweise 120 HIV-Patienten, von denen 100 zur Risikogruppe zählten, habe er keinen Regress zu befürchten. Besonderheiten würden berücksichtigt.
Auch Ulla Clement-Wachter, MTA und HIV-Gesundheitstrainerin, spricht sich pro Generika aus. Ihrer Meinung nach haben „HIV-Patienten, die Generika einnehmen, weniger Schuldgefühle“, da die Therapiekosten geringer sind. Zudem würde sich bei generischen Arzneimitteln die Infektion normalisieren. Kehrseite der Medaille sind laut Clement-Wachter Angst vor Wirkungsverlust und Fälschung. Außerdem seien Patienten durch einen anderen Namen, andere Tablettenform und -farbe sowie Verpackung verunsichert. Würden Patienten jedoch umfassend über Generika aufgeklärt, gebe es keine Probleme in der Medikation.
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