Im Fall der mutmaßlich gefälschten Bioäquivalenzstudien des indischen Dienstleisters GVK Biosciences droht die Regierung in Neu-Delhi mit rechtlichen Schritten gegen die Europäische Union. Sollte diese ihre Entscheidung, 700 generische Präparate zu suspendieren, nicht aufheben, werde sich das Land an die Welthandelsorganisation (WTO) wenden.
Im Januar hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) entschieden, hunderte Zulassungen auszusetzen, die auf der Grundlage von Bioäquivalenzstudien von GVK erlassen worden waren. Einen Monat zuvor hatten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie die französischen, belgischen und luxemburgischen Behörden den Verkauf entsprechender generischer Präparate gestoppt.
Formal muss die EU-Kommission die EMA-Empfehlung bestätigen. Diese Entscheidung steht bislang aus: Wegen der Anträge einiger Hersteller auf Überprüfung werde die endgültige Stellungnahme der Experten abgewartet. Mit dieser rechnen EMA und Kommission bis Mai.
Reuters zufolge rief die indische Regierung nach einer Beschwerde von GKV noch im vergangenen Jahr eine unabhängige Expertengruppe zusammen, um den Fall zu untersuchen. Dabei seien keine Manipulationen gefunden worden, so GVK-Geschäftsführer Manni Kantipudi gegenüber der Nachrichtenagentur. Entsprechende Beweise, dass die klinischen Studien korrekt verliefen, seien der europäischen und der französischen Behörde übermittelt worden.
Im Februar und März hat laut Reuters eine indische Regierungsdelegation die europäischen Behörden getroffen und gebeten, die Aussetzung der Zulassungen zu überdenken. Geschehe dies nicht, sei man bereit, kommerzielle und rechtliche Schritte zu gehen: So würde man sich an die WTO wenden, sagte Indiens Handelsminister Rajeev Kherp gegenüber der lokalen Tageszeitung Hindu Businessline. „Es gibt einige rechtliche Möglichkeiten, aber wir werden sehen, was bei diesen diplomatischen Gesprächen herauskommt, und dann werden wir und das Handelsministerium entscheiden, was zu tun ist.“
Hintergrund der europaweiten Ruhensanordnung war eine Inspektion des Unternehmens durch die französische Arzneimittelbehörde ANSM. Dabei waren der Behörde zufolge erhebliche Mängel bei der Studiendurchführung und der Datenvalidität festgestellt worden. In allen neun untersuchten Studien sollen Elektrokardiogramme gefälscht worden sein.
Das BfArM hatte bereits Ende vergangenen Jahres insgesamt 176 Zulassungen geprüft, zu denen zwischen 2008 und 2014 Studien bei GVK durchgeführt worden waren. Nachdem anfangs 80 Arzneimittel für nicht verkehrsfähig erklärt wurden, blieben nach erfolgreichen Einlassungen der Hersteller – etwa zu Candesartan/HCT, Irbesartan, Irbesartan/HCT und Venlafaxin von Heumann, Levetiracetam von Hormosan, Esomeprapzol von Mylan dura und Tacpan (Tacrolimus) von Panacea – noch 53 Einträge.
Bei 19 davon haben die Widersprüche der Hersteller bis auf Weiteres aufschiebende Wirkung, das heißt, die Präparate können vertrieben werden. Weitere 19 dürfen nicht in Verkehr gebracht werden, weil das Ruhen der Zulassung rechtskräftig ist. Bei den übrigen haben die Hersteller keinen Widerspruch eingelegt, sodass die Zulassungen ruhen.
Seit dem 12. März ist die BfArM-Liste unverändert. Auch beim europäischen Verfahren haben die betroffenen Hersteller die Möglichkeit, eine „Re-Examination“ zu beantragen.
Die EMA geht wegen der langen Zeit sowie der großen Zahl der beteiligten Mitarbeiter von einem systematischen Ansatz aus und hegt generell Zweifel an der Integrität der Arbeit bei GVK. Hinweise auf Gesundheitsgefahren gebe es aber nicht, so die EMA. Die Bundesregierung geht davon aus, dass es sich bei GVK um einen „seltenen Einzelfall“ handelt.
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