Retardkapsel für vier Wochen Nadine Tröbitscher, 02.12.2016 09:09 Uhr
Chronisch Kranke nehmen täglich ihre Medikation. Die Therapie ist gefährdet, wenn eine Einnahme vergessen oder ausgelassen wird. US-Forschern vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist es gelungen, eine ultra-lang wirksame Formulierung zu entwickeln. Die Menge an Wirkstoff könnte für zwei bis vier Wochen genügen. Das Verfahren kann bei Patienten mit HIV-Infektionen, neurologischen Erkrankungen oder Tropenkrankheiten Anwendung finden und stellt einen Fortschritt für die Bekämpfung der Malaria dar.
Die Entwicklung der Ultra-Langzeit-Formulierung stellte die Wissenschaftler vor eine große Herausforderung, wie sie in ihrer Veröffentlichung im „Science Translational Medicine“ schreiben. Das Produkt sollte die Größe und Form einer Kapsel haben, um leicht geschluckt werden zu können. Große Mengen an Wirkstoff sollten enthalten sein und kontrolliert über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten freigesetzt werden – und nicht einfach aufplatzen. Der Magen-Darm-Trakt darf von dem Produkt nicht geschädigt werden, obwohl es dort lange verweilt.
Das Produkt muss sich im Magen ausreichend vergrößern, um nicht den Ausgang mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern passieren zu können und in den Darm zu gelangen. Einzelne Teile, die mit Wirkstoff beladen sind, sollten die Möglichkeit haben, den Magen zu verlassen und im Darm resorbiert werden zu können.
Die Forscher in Massachusetts entwickelten eine sternförmige Struktur mit sechs Armen, die mit dem Wirkstoff beladen sind. „Der Stern“ wird aus dem Polymer Polycaprolacton hergestellt, ein biologisch abbaubarer Kunststoff auf Erdölbasis. Die Arme werden eingeklappt und in eine Gelatinehülle eingeschlossen. Das fertige Produkt ist eine klassische Kapsel, deren Hülle sich im Magen auflöst. Der „Stern“ klappt auf und der Wirkstoff wird verzögert freisetzt. Das Konstrukt erreicht einen Durchmesser von vier Zentimetern und zerbricht nach und nach an speziellen Sollbruchstellen in seine Einzelteile, die dann über den Darm ausgeschieden werden.
Magenbeständigkeit, Wirkstofffreisetzung und Magenverträglichkeit wurden in einem Experiment mit Schweinen für den Wirkstoff Ivermectin untersucht. Die Forscher konnten mittels radiologischer und endoskopischer Untersuchungen bestätigen, dass die therapeutische Dosis über zwei Wochen freigesetzt wurde. Es gibt keinerlei Hinweise auf gastrointestinale Obstruktion oder Schädigungen der Schleimhäute.
Die Forscher wollen mit ihrer Entwicklung die Verbreitung der Malaria stoppen, indem sie den Betroffenen eine Einnahme des Medikamentes ein- oder zweimal monatlich ermöglichen. Der enthaltene Wirkstoff tötet die Anopheles-Mücke, die Malaria überträgt. Oral eingenommenes Ivermectin mit einer Halbwertzeit von 18 Stunden erreicht Serumkonzentrationen, die die Moskitos nach der Blutmahlzeit töten. Die Übertragung der Malaria auf eine andere Person wird unterbunden und das Infektionsrisiko langfristig gesenkt.
Ivermectin wird gegen Ektoparasiten eingesetzt und bindet an Glutamat- und γ-Aminobuttersäure-aktivierten Chloridkanäle, die bei Wirbellosen vorkommen. Die blockierte Erregungsleitung führt zu einer Lähmung und dem Tod der Parasiten. Der Reproduktionszyklus von Zecken wird durch eine Verhinderung der Eibildung und Häutung unterbrochen. Topisch kommt der Wirkstoff bei Rosacea (Soolantra) zum Einsatz.
Im Video erklären die Forscher, wie ihre neuartige Kapsel funktioniert.