Den Zuckerkonsum in der frühen Lebensphase einzuschränken, könnte nicht nur das Risiko für Typ-2-Diabetes und Hypertonie senken, sondern auch deren Ausbruch verzögern. Das ergab eine aktuelle Studie der University of Southern California in Los Angeles. Je länger die Einschränkung, desto ausgeprägter sei der Effekt, insbesondere bei Mädchen und Frauen. Die ersten 1000 Lebenstage sind entscheidend, meinen die Forschenden.
Die Reduzierung der Zuckeraufnahme in den ersten 1000 Lebenstagen kann das Risiko für Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck senken oder den Beginn dieser Erkrankungen hinauszögern. Dieser Effekt ist bei Mädchen und Frauen besonders ausgeprägt, berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Southern California in Los Angeles. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden kürzlich im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht.
Der Zeitraum beginnend mit der Empfängnis bis zum zweiten Lebensjahr ist demnach entscheidend für die langfristige Gesundheit. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass Veränderungen des Lebensstils, wie im National Diabetes Prevention Program, das Risiko für Diabetes um 34 Prozent senken und den Ausbruch der Krankheit um etwa vier Jahre verzögern können.
Die Beobachtungsdaten der Studie umfassen die Jahre rund um das Ende der Zucker-Rationierung in Großbritannien, besonders zwischen 1950 und 1960. Die Rationierung wurde während und nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt, um die knappen Lebensmittelbestände angesichts eingeschränkter Importe und zerstörter Handelsrouten gerecht zu verteilen. Ab 1940 durften Menschen zeitweise nur 227 Gramm Zucker pro Woche beziehen.
Im Fokus der Studie standen Erwachsene, die zwischen Oktober 1951 und März 1956 geboren wurden, da deren frühe Lebensphasen entweder während oder nach der Rationierung lagen. Die Zucker-Rationierung endete abrupt im September 1953, was zu einem deutlichen Anstieg des Zuckerkonsums führte, ohne dass ähnliche Veränderungen bei anderen Nahrungsmitteln stattfanden. Dadurch ergab sich ein natürlicher Vergleich: Personen, die vor September 1953 geboren wurden, hatten eine frühkindliche Phase mit begrenztem Zuckerkonsum und gehörten zur rationierten Gruppe, während jene, die nach diesem Datum zur Welt kamen, bereits ohne die Rationierungsbeschränkungen aufwuchsen und zur nicht rationierten Gruppe zählten.
Für die Untersuchung der Ernährungsgewohnheiten wurde die National Food Survey (NSF) herangezogen, die seit 1940 wöchentliche Ernährungsdaten aus über 10.000 Haushalten dokumentierte und vierteljährliche Schätzungen zum Pro-Kopf-Zuckerkonsum während und nach der Rationierung ermöglichte. Ergänzend nutzten die Forschenden die Gesundheitsdaten der UK Biobank aus den Jahren 2006 bis 2019, um langfristige gesundheitliche Effekte, insbesondere im Hinblick auf Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck, zu analysieren.
Die Forschenden fanden heraus, dass eine reduzierte Zuckeraufnahme während der ersten 1000 Tage ab der Empfängnis das Risiko für Diabetes Typ 2 und Hypertonie signifikant senken kann. Im Vergleich zur nicht-rationierten Gruppe zeigte die rationierte Gruppe einen um etwa 18 Prozent niedrigeren Anteil an Diabetes Typ 2-Diagnosen und eine 12 Prozent geringere Rate an Bluthochdruck. Zudem wurde bei den Betroffenen der Erkrankungsbeginn verzögert: Der Krankheitsausbruch von Diabetes Typ 2 trat durchschnittlich 2,3 Jahre später ein, während der Beginn von Bluthochdruck im Durchschnitt um 1,7 Jahre hinausgezögert wurde.
Die Effekte traten bei weiblichen Personen besonders stark auf. Mädchen, die während der Zucker-Rationierung geboren wurden, wiesen im Vergleich zu denen, die nach der Rationierung zur Welt kamen, einen um 25 Prozent niedrigeren Anteil an Typ-2-Diabetes-Diagnosen auf. Zudem hatten Frauen aus der rationierten Gruppe ein um 15 Prozent geringeres Risiko für Bluthochdruck. Der durchschnittliche Beginn der Erkrankungen lag bei 3,1 Jahren für Typ-2-Diabetes und 2,4 Jahren für Bluthochdruck. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine frühe Reduktion des Zuckerkonsums langfristige gesundheitliche Vorteile für weibliche Personen bieten kann, insbesondere in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen.
Zusätzlich zeigte die Analyse der UK Biobank-Daten, dass in der rationierten Gruppe ein geringerer Anteil von Menschen einen hohen Taillen-Hüft-Quotienten aufwies, der als Marker für viszerales Fett und erhöhtes Risiko für Stoffwechselerkrankungen gilt. Etwa 11 Prozent weniger Männer und 14 Prozent weniger Frauen in der rationierten Gruppe hatten einen WHR im obersten 10. Perzentil, was auf eine geringere Veranlagung zu zentraler Adipositas hinweist, einem wichtigen Risikofaktor für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Diese neuen Ergebnisse stützen die Hypothese, dass eine verringerte Zuckeraufnahme in einer kritischen Entwicklungsphase das Risiko für spätere chronische Erkrankungen verringern und den Krankheitsbeginn hinauszögern kann. Die Forschenden aus Los Angeles betonen, dass diese Effekte unabhängig von genetischen Prädispositionen, dem Geburtsort und anderen sozialen Faktoren auftraten, da das natürliche Experiment der Zucker-Rationierung eine quasi-zufällige Gruppenzuordnung ermöglichte.
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