Wenn die „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht entlassen wird, kommt auf die Apotheker voraussichtlich viel Beratungsaufwand zu. Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), versichert zwar, dass die Apotheker kompetent Informationen zu Notfallkontrazeptiva geben könnten, doch die Frauenärzte haben Zweifel. In dieser Woche sind Gynäkologen und Pharmazeuten ins Bundesgesundheitsministerium (BMG) geladen, um das Thema zu diskutieren.
Ganz einfach wird die Beratung zur „Pille danach“ sicher nicht, das zeigt ein kurzer Blick auf bereits existierende Leitfäden: Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) hat zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) eine Checkliste für die Verordnung von Notfallkontrazeptiva im ärztlichen Bereitschaftsdienst entwickelt. Die Liste richtet sich an Ärzte anderer Fachrichtungen und stellt die Minimalanforderungen an die Verordnung der „Pille danach“ dar.
Die Handlungsempfehlung klärt die Ärzte unter anderem darüber auf, wann eine Notfallkontrazeption indiziert ist und was im Fall einer Vergewaltigung zu tun ist – dann soll der gynäkologische Bereitschaftsdienst konsultiert werden. Den sollen Ärzte auch dann kontaktieren, wenn eine bestehende Schwangerschaft nicht sicher ausgeschlossen werden kann.
Bei Patientinnen mit nicht ausreichend kontrolliertem Asthma, schweren Leberfunktionsstörungen oder einem Wirkstoff sind orale Notfallkontrazeptiva der Checkliste zufolge kontraindiziert. Als Alternative werden kupferhaltige Intrauterinpessare vorgeschlagen, von denen einige bis zu fünf Tage postkoital zugelassen sind. Auch bei übergewichtigen Frauen würden Intrauterinpessare empfohlen, da die oralen Notfallkontrazeptiva dann eine reduzierte Wirkung hätten, so eine BVF-Sprecherin.
Bei einer Beratung zur „Pille danach“ sollen Ärzte die Patientin auch über den Wirkmechanismus der Präparate, die Notwendigkeit einer Notfallkontrazeption und sexuell übertragbare Erkrankungen aufklären. Stillende Patientinnen müssen zudem darauf hingewiesen werden, dass sie eine Stillpause einlegen sollen. Diese Beratung sollen die Mediziner dokumentieren.
Aus Sicht des BVF ist es besonders wichtig, auf die weitere Kontrazeption hinzuweisen. Durch EllaOne werde der Eisprung lediglich um fünf Tage verschoben, erklärt eine Verbandssprecherin. Manche Patientinnen würden aber davon ausgehen, dass sie in dieser Zeit ungeschützten Verkehr ohne die Gefahr einer Schwangerschaft haben könnten, und nicht beachten, dass die Spermien etwa fünf Tage überleben könnten.
„Wir gehen davon aus, dass das ein Grund für die Anstiege bei den Schwangerschaftsabbrüchen in anderen Ländern ist“, so die Sprecherin. Neben der „normalen“ Pille müsse deshalb für den Rest des Zyklus' mit Barrieremethoden wie Kondomen verhütet werden.
Ein anderes Vorbild für mögliche Beratungsrichtlinien für die Abgabe von Notfallkontrazeptiva in der Apotheke könnte die Schweiz sein. Dort ist die „Pille danach“ seit 2002 rezeptfrei. Apotheker müssen anhand eines Protokolls mit knapp 20 Fragen unter anderem klären, warum die Patientin das Präparat benötigt, ob bereits früher Notfallkontrazeptiva angewendet wurden, es relevante medizinische Probleme oder Interaktionen gibt und ob eine Schwangerschaft bestehen könnte. Im Zweifelsfall soll die Frau zunächst einen Schwangerschaftstest durchführen.
Die „Pille danach“ darf nur der Patientin selbst gegeben werden. Sie soll die Tablette möglichst noch in der Apotheke einnehmen, auch wenn diese Vorgabe nicht zwingend ist. Auf Vorrat soll das Präparat aber nicht abgegeben werden – in diesem Fall sollen sich die Frauen an eine spezialisierte Beratungsstelle oder einen Gynäkologen wenden.
In der Apotheke sollen die Frauen außerdem schriftliche Informationen zur „Pille danach“ erhalten, über das Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten aufgeklärt und gegebenenfalls an Beratungsstellen oder einen Frauenarzt verwiesen werden. Für die Beratung können die Apotheken eine Gebühr erheben, die meist zwischen 40 und 50 Franken liegt, umgerechnet zwischen 33 und 42 Euro.
Die Apotheker erhalten außerdem Tipps für eine gute Beratung zur „Pille danach“. Ihnen wird empfohlen, aufmerksam zuzuhören, um eine womöglich schwierige Situation der Patientin zu erfassen und gegebenenfalls weiter verweisen zu können. Die Abgabe sollte dokumentiert werden und der Entscheid immer auf den schriftlich festgehaltenen Angaben der Frau basieren. Die Indikation soll „eher großzügig“ gestellt werden.
Schwangere sowie Frauen mit anhaltendem Erbrechen, Diarrhoe oder Malabsorption sollen ohne Notfallkontrazeptivum an einen Arzt überwiesen werden. An Patientinnen mit einem Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten, Opfer sexueller Gewalt und sehr junge Frauen sollen nach Abgabe der „Pille danach“ überwiesen werden. Schließlich sollen Apotheker immer positives Feedback geben und die Frau darin bestärken, weiterhin Verantwortung für ihre sexuelle Gesundheit zu übernehmen.
Die EU-Kommission hatte das Notfallkontrazeptivum EllaOne (Ulipristal) in der vergangenen Woche aus der Rezeptpflicht entlassen. Da das Präparat zentral zugelassen ist, gilt die Entscheidung auch für Deutschland. Ob Apotheker EllaOne derzeit ohne Rezept abgeben dürfen oder die Anpassung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) abwarten müssen, ist derzeit noch umstritten. Die BAK ist überzeugt, dass die Änderung zunächst im deutschen Recht vollzogen werden muss. Das Bundesgesundheitsministerium hat angekündigt, die Frage zu prüfen.
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EllaOne soll rezeptfrei werden. Die Checkliste des BVF und der DGGEF für die Verordnung von Notfallkontrazeptiva im ärztlichen Bereitschaftsdienst gibt wichtige Informationen zur Beratung und Begleitung von Patientinnen. Jetzt Liste herunterladen! »
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