Rote-Hand-Brief

Fluorchinolone: Nutzen und Risiko sorfältig abwägen

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Berlin -

Lang anhaltende schwerwiegende möglicherweise irreversible Nebenwirkungen, die die Lebensqualität beeinflussen können, führen zu weiteren Anwendungsbeschränkungen für Fluorchinolone. Wie im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit in der vergangenen Woche angekündigt, erreicht Ärzte und andere Angehörige der Heilberufe heute der Rote-Hand-Brief. Dieser soll erreichen, dass die Risiken und Anwendungsbeschränkungen in der Verordnungspraxis der Mediziner lückenlos beachtet werden, teilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit.

Systemisch oder inhalativ angewendete Fluorchinolone bergen ein Risiko für dauerhafte Nebenwirkungen, die vor allem die Sehnen, Muskeln oder Knochen oder das Nervensystem betroffen können. Daher wurden die Anwendungsgebiete für Ciprofloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin und Moxifloxacin eingeschränkt. In einem Rote-Hand-Brief werde Ärzte dazu angehalten Fluorchinolone nicht zu verordnen zur:

  • Behandlung von nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen wie beispielsweise Pharyngitis, Tonsillitis oder akuter Bronchitis,
  • Prävention von Reisedurchfall oder rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege,
  • Therapie von nicht bakteriellen Infektionen wie nicht bakterielle (chronsiche) Prostatitis,
  • Behandlung von leichten bis mittelschweren Infektionen (einschließlich unkomplizierter Zystitis, akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), akuter Rhinosinusitis und akuter Otitis media), es sei denn, andere Antibiotika des Indikationsgebietes sind nicht geeignet,
  • Therapie von Patienten, die zuvor schwerwiegende Nebenwirkungen unter einem Fluorchinolon erlitten haben.

Besondere Vorsicht ist geboten bei älteren Patienten, solchen mit Nierenproblemen oder nach einer Organtransplantation, sowie Patienten, die gleichzeitig mit einem systemischen Kortikosteroid behandelt werden. Denn diese Patienten haben ein höheres Risiko für Tendinitis und Sehnenruptur, die durch Fluorchinolone verursacht werden können.

Die Antibiose sollte bei den ersten Anzeichen einer schwerwiegenden Nebenwirkung wie beispielsweise entzündete oder gerissene Sehne, Muskelschmerzen oder -schwäche sowie Gelenkschmerzen oder -schwellungen beendet werden. Die Fach- und Gebrauchsinformationen werden entsprechend angepasst.

Zuletzt hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Fluorchinolone aufgrund der schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen neu bewertet. Betreffen diese den Bewegungsapparat sind Tendinitis, Sehnenruptur, Myalgie, Muskelschwäche, Arthralgie, Gelenkschwellungen oder Gangstörungen möglich. Zu den möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen auf das periphere und zentrale Nervensystem zählen periphere Neuropathie, Schlaflosigkeit, Depressionen, Ermüdung, eingeschränktes Erinnerungsvermögen sowie Seh-, Hör-, Geruchs- und Geschmacksstörungen.

Ärzte sollten bei der Verschreibung der Stoffgruppe im Einzelfall Nutzen und Risiko sorgfältig abwiegen. „Mit dem Rote-Hand-Brief soll erreicht werden, dass die Risiken und Anwendungsbeschränkungen in der ärztlichen Verordnungspraxis lückenlos beachtet werden“, schreibt das BfArM. „Fluorchinolone sind eine wichtige Behandlungsoption gegen verschiedene Infektionskrankheiten, darunter einige lebensbedrohliche, bei denen andere Antibiotika nicht ausreichend wirksam sind.“

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