Ursprünglich wurde der Wirkstoff Finasterid bei benigner Prostatahyperplasie eingesetzt. Aufgrund des Wirkmechanismus eignet sich der Arzneistoff aus der Gruppe der 5-Alpha-Reduktasehemmer auch zur Behandlung der androgenetischen Alopezie. Anwender sollten vor Therapiebeginn über die Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
Haarausfall gehört für viele Männer immer noch zu den Tabuthemen. Die schwindende Haarpracht stellt für viele Betroffene vor allem ein psychisches Problem dar, da sie sich ohne Haare unwohl und weniger attraktiv fühlen. Ein wirkliches gesundheitliches Problem stellt die androgenetische Alopezie nicht dar. Lediglich bei Frauen ist das Krankheitsbild als pathologisch einzustufen und somit teilweise behandlungsbedürftig.
Somit ist Finasterid (Propecia, Organ) zur Anwendung bei männlichem Haarausfall bei den Arzneimitteln zur Erhöhung der Lebensqualität einzuordnen. Als Lifestyle-Medikament findet sich Finasterid auf der Verordnungsausschluss-Liste des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
34 Abs. 1 Satz 7 SGB V: „Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die […] zur Verbesserung des Haarwuchses dienen.“
Die Liste der Nebenwirkungen unter Einnahme von Finasterid ist zwar nicht übermäßig lang, die genannten unerwünschten Ereignisse können jedoch das Leben der Anwender stark beeinträchtigen. So kommt es mit der Häufigkeitsangabe „gelegentlich“ zu einer verminderten Libido, erektiler Dysfunktion und Ejakulationsstörungen mit vermindertem Ejakulatvolumen. Ebenfalls gelegentlich kommt es zum Auftreten einer Depression – teilweise mit Suizidgedanken.
Das Gravierende: Es kann zum sogenannten Post-Fiansterid-Syndrom kommen. Hierbei handelt es sich um eine langfristige Störung der Sexualfunktion. Auch psychische und kognitive Veränderungen können nach Absetzen der Tabletten bestehen bleiben. Einige Patienten klagen über anhaltende Schmerzen, vor allem im Brustbereich. Die bleibenden Erkrankungen müssen mittels Standardtherapie behandelt werden. Eine gezielte Therapieoption gegen das Post-Finasterid-Syndrom gibt es nicht.
Die Nebenwirkungen sind eine Folge des Wirkmechanismus: Finasterid blockiert die Produktion von Dihydrotestosteron (5α-Dihydrotestosteron, DHT, Androstanolon), indem die Steroid-5-Alpha-Reduktase gehemmt wird. DHT ist fünfmal potenter als Testosteron und besitzt eine höhere Rezeptoraffinität am Androgenrezeptor. Da DHT in den Wachstumzyklus der Haare eingreift und Haarausfall beschleunigt, kommt es bei geringeren DHT-Spiegeln zu weniger Haarverlust.
Weitere Nebenwirkungen:
Finasterid ist für Männer zwischen 18 und 41 Jahren indiziert. In höherem Lebensalter handelt es sich bei der Verschreibung um einen Off-Label-Use. Darüber hinaus ist die Indikation der zugelassenen Präparate stets getrennt: Entweder ist ein Präparat bei Haarausfall oder benigner Prostatahyperplasie zugelassen. Ein Behandlungszyklus dauert drei bis sechs Monate. Bei vorzeitigem Abbruch der Therapie kommt es binnen sechs Monaten meist erneut zum Haarausfall. Nach einem Jahr ist der Ausgangszustand wieder erreicht.
Übrigens: Zwar kann Finasterid auch bei Frauen mit androgenetischer Alopezie den Haarausfall lindern, doch die Anwendung ist kontraindiziert. Finasterid führt in der Schwangerschaft mitunter zu Entwicklungsstörungen beim Fötus.
2018 wurden Ärzt:innen mittels Rote-Hand-Brief darauf hingewiesen, die Patienten vor der Ersteinnahme über die möglichen Nebenwirkungen zu informieren. Bei Vorlage eines blauen Finasterid-Rezeptes können auch Apotheker:innen und PTA erneut zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen beraten und über bleibende Nebenwirkungen über Jahre hinweg – auch nach dem Absetzen der Tabletten – informieren. Darüber hinaus gibt es sowohl Rx- als auch OTC-Alternativen. Nicht alle Mittel zeigen eine vergleichbare Wirksamkeit wie Finasterid. Sie besitzen jedoch ein besseres Nebenwirkungsprofil.
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