Alzheimer-Patienten müssen im neuen Jahr voraussichtlich mit Aufzahlungen bei ihren Medikamenten rechnen: Im September hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die drei Cholinesterasehemmer Donepezil, Rivastigmin und Galantamin in einer Gruppe zusammengefasst. Jetzt hat der GKV-Spitzenverband neue Festbeträge für die Wirkstoffe festgesetzt. Dadurch drohen bei Galantamin extreme Aufzahlungen.
Der G-BA hatte bereits im Januar vorgeschlagen, die Wirkstoffe in einer Festbetragsgruppe zusammenzufassen. Nach dem Stellungnahmeverfahren folgte ein entsprechender Beschluss im September. Im dritten Schritt hat der GKV-Spitzenverband die neuen Festbeträge errechnet. Die Hersteller hatten noch bis Anfang dieser Woche Zeit, den Kassen Rechenfehler nachzuweisen – was in der Regel nicht gelingt. Daher könnten vermutlich ab Februar oder März die neuen Festbeträge gelten.
Alle drei Wirkstoffe werden bei leichter bis mittelschwerer Alzheimerkrankheit eingesetzt. „Ungeachtet möglicher Unterschiede in der Pharmakodynamik besitzen die Wirkstoffe mit dem Angriff am Enzym Acetylcholinesterase einen vergleichbaren Wirkmechanismus“, heißt es zur Begründung der Gruppenbildung. Therapiemöglichkeiten würden nicht eingeschränkt und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen stünden zur Verfügung. „Die arzneimittelrechtliche Zulassung erlaubt keinen Rückschluss darauf, dass eines der einbezogenen Fertigarzneimittel über ein singuläres Anwendungsgebiet verfügt.“
Der Festbetrag für die Standardpackung mit 98 Stück und 10 mg Wirkstoff wurde im November auf 65,93 Euro nach Apothekenverkaufspreisen (AVP) festgesetzt. Die Preise, die Krankenkassen übernehmen, wurden für die jeweiligen Einheiten entsprechend umgerechnet.
Bei Galantamin ist der Preisabstand extrem: Die Großpackung mit 84 Stück und 24 mg Wirkstoff wird von den Kassen künftig mit 58,73 Euro erstattet. Aktuell ist Heumann der günstigste Anbieter – mit 144,73 Euro AVP. Die Torrent-Tochter müsste ihren Preis also um rund 60 Prozent senken, damit die Patienten nicht zusätzlich zur Zuzahlung auch noch eine Aufzahlung leisten müssten.
Außer Heumann und Hormosan mit 178,14 Euro liegt derzeit kein anderer Hersteller unter 200 Euro, TAD und Hexal sogar leicht unter beziehungsweise über der Schwelle von 300 Euro. Ändern die Hersteller ihre Preise nicht, müssen die Patienten also zwischen 86 und fast 250 Euro aufzahlen. Das Original Reminyl von Janssen kostete 409,32 Euro – hier wäre eine Preissenkung von 85 Prozent notwendig.
Bei der Kleinpackung mit 28 Stück und 8 mg Wirkstoff sieht es ähnlich aus. Erstattet werden künftig nur noch 25,32 Euro. Derzeit liegen die Preise zwischen 42 und 85 Euro. Aus der Generikabranche ist schon zu vernehmen, dass man die neuen Preise unmöglich halten könne – von einer Zuzahlungsbefreiung für die Versicherten ganz zu schweigen. Diese gilt erst, wenn die Hersteller 30 Prozent unter Festbetrag gehen.
Ärzte und Patienten müssten im Zweifel auf einen anderen Cholinesterasehemmer ausweichen. Bei Donepezil dürfte es mit dem Preis keine Probleme geben: Bereits heute liegen mehrere Hersteller unter dem neuen Festbetrag – einige sogar deutlich. Der Wirkstoff war im Februar 2012 patentfrei geworden; das Original Aricept kommt von Pfizer.
Der Festbetrag für die Standardpackung liegt bei 65,93 Euro. Die günstigsten Anbieter sind Hormosan, Bluefish und Elpen mit 37,52, 38,56 Euro beziehungsweise 38,79 Euro für 98 Stück à 10 mg. Mylan dura, 1A, AbZ liegen ebenfalls schon unter dem neuen Festbetrag; Aliud, Heumann und das Pfizer-Generikum annähernd auf diesem Wert. Es ist davon auszugehen, dass weitere Generikahersteller ihre Preise so weit absenken werden, dass mehrere Produkte sogar zuzahlungsfrei sein könnten. Die Schmelztabletten sind allerdings meist teurer.
Auch Rivastigmin dürfte künftig ohne Aufzahlung zu erhalten sein. Der Festbetrag für die N3 mit 112 Stück und 6 mg Wirkstoff wurde auf 72,63 Euro festgesetzt. AbZ, Autobindo und Heumann sind mit 54,74 Euro gelistet, Hormosan, Biomo und Pfizer sogar mit knapp 48 Euro. Betapharm ist mit 67,44 Euro etwas günstiger. Allerdings liegen auch viele Generikahersteller wie 1A, Mylan dura, Neuraxpharm oder Actavis bei knapp 100 Euro. Aliud, Stada und TAD kosten rund 120 Euro, Ratioharm 163,15 Euro. Hexal liegt mit 218,31 Euro sogar nur knapp unter dem Original Exelon von Novartis mit 225,02 Euro.
Laut Arzneiverordnungsreport wurde Donepezil im vergangenen Jahr knapp 347.000 Mal verordnet; die Gesamtkosten der Kassen lagen bei 23,2 Millionen Euro. Nach dem Patentablauf hatten sich die Verordnungen verfünffacht. Rivastigmin kam auf 276.000 Verordnungen und 45 Millionen Euro, Galantamin auf 189.000 Verordnungen und 34 Millionen Euro.
Die Festbeträge treten in Kraft, wenn der Beschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Damit ist in den ersten Monaten des neuen Jahres zu rechnen. Die Apotheken müssen dann womöglich mit Lagerwertverlusten rechnen, die die Hersteller in solchen Fällen oft nicht ausgleichen. Abgesehen davon verlieren sie aufgrund der Preissenkung Marge, denn die Spanne richtet sich nach dem Listenpreis.
Nach einer Absenkung der Festbeträge müssen mindestens 20 Prozent aller Verordnungen und Packungen zu diesem Wert verfügbar sein – allerdings bezogen auf die jeweilige Gruppe. Die von Herstellern befürchtete „künstliche Marktbereinigung“ auf Wirkstoffebene könnte daher diesmal Galantamin treffen.
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