Luftverschmutzung

Feinstaub: Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

, Uhr
Berlin -

Luftverschmutzung ist mit verschiedenen Krankheiten assoziiert, darunter Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wissenschaftler um Professor Dr. Thomas Münzel von der Universität Mainz haben nun zusammen mit britischen und amerikanischen Kollegen die für Gefäßschäden durch Luftverschmutzung verantwortlichen Mechanismen entschlüsselt. Der im Fachjournal „European Heart Journal” veröffentlichten Studienergebnissen zufolge ist Feinstaub allein für die kardiosvaskulären Folgen verantwortlich.

Luftverschmutzung ist gekennzeichnet durch verschiedene Bestandteile wie Feinstaub, Ozon, Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid. Was ist am gefährlichsten für das Herz-Kreislauf-System? Dieser Frage ging die internationale Expertengruppe nach. Die Forscher analysierten die negativen Auswirkungen auf die Gefäßfunktion und wollten wissen, welche Mechanismen dahinter stecken. Für die negativen Effekte machen die Wissenschaftler Veränderungen der Endothelfunktion bei der Signaltransduktion verantwortlich. „Zusammenfassend kann man feststellen, dass – in Bezug auf die gefäßschädigende Wirkung der Luftverschmutzung – der Feinstaub eine herausragende Rolle spielt“, kommentiert Münzel.

Feinstaub besteht aus einem komplexen Gemisch fester und flüssiger Partikel und wird abhängig von deren Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Unterschieden werden PM10 mit einem maximalen Durchmesser von 10 µm, PM2,5 sowie ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm. Entscheidend für die gesundheitliche Wirkung von Feinstaub ist die Partikelgröße: Je kleiner die Staubpartikel sind, desto größer ist das Risiko, zu erkranken, da sie aufgrund ihrer Größe tiefer in die Atemwege eindringen können als größere. Dadurch gelangen sie in Bereiche, aus denen sie beim Ausatmen nicht wieder ausgeschieden werden.

PM10 kann beim Menschen in die Nasenhöhle, PM2,5 bis in die Bronchien und Lungenbläschen und ultrafeine Partikel bis in das Lungengewebe und sogar in den Blutkreislauf eindringen. Je nach Größe und Eindringtiefe der Teilchen unterscheiden sich die gesundheitlichen Auswirkungen. Sie reichen von Schleimhautreizungen bis zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen, einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen der Regulierungsfunktion des vegetativen Nervensystems (Herzfrequenzvariabilität).

Mehr als vier Millionen Todesfälle jährlich sind auf Feinstaub zurückzuführen. Die meisten Todesfälle mit rund 60 Prozent entstehen hierbei als Folge von kardiovaskulären Erkrankungen. „Besonders der Ultrafeinstaub macht uns hierbei große Sorgen. Dieser hat die Größe eines Virus. Wenn der Ultrafeinstaub inhaliert wird, dann geht er über die Lunge sofort ins Blut, wird von den Gefäßen aufgenommen und bewirkt lokal eine Entzündung. Das bedingt letztlich mehr Atherosklerose (Gefäßverkalkung) und führt somit zu mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Herzinfarkt, akuter Herzinfarkt, Herzschwäche oder auch Herzrhythmusstörungen”, erklärt der Professor.

Ein wesentlicher Anteil der Feinstäube in Mitteleuropa entstammt den Emissionen von Dieselmotoren. Dabei gelangt Feinstaub nicht nur aus Motoren in die Luft, sondern auch durch den Bremsen- und Reifenabrieb sowie die Aufwirbelung des Staubes von der Straßenoberfläche. „Interessant ist [...], dass [...] in erster Linie der Feinstaub und nicht das Stickstoffdioxid (NO2), die beide bei der Verbrennung von Dieselbrennstoff entstehen, negative Auswirkungen auf die Gefäßfunktion hat“, erklärt Münzel weiter. Weiterhin gelangt Feinstaub aus Emissionen aus Kraft- und Fernheizwerken, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, Metall- und Stahlerzeugung oder auch beim Umschlagen von Schüttgütern in die Umwelt. „Um niedrige, gesundheitlich unbedenkliche Konzentrationen zu erreichen, müssen die Emissionen aus all diesen Quellen reduziert werden“, so Professor Dr. Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) aus Mainz, ein weiterer Beteiligter an der Studie.

Künftig wollen die Wissenschaftler die Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch die Luftverschmutzung – insbesondere in Kombination mit (Flug)Lärm – bedingt sind, erforschen. Sie fordern, dass Luftverschmutzung als Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen Eingang in die Leitlinien findet. Außerdem sollen ihrer Ansicht nach Empfehlungen zur Vorbeugung negativer kardiovaskulärer Effekte durch Luftverschmutzung ausgesprochen werden.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema

APOTHEKE ADHOC Debatte