Durch den freien Zugang zu Internetseiten wie Wikipedia, aber auch Fachjournalen und Seiten der Bundesregierung ist die Bevölkerung bei der aktuellen Pandemie so umfangreich informiert wie nie zuvor. Doch der fast unbegrenzte Zugang zu Wissen birgt auch Gefahren – Stichwort: Fake-News. So hieß es vor einigen Wochen, Ibuprofen steigere die Infektionsgefahr durch Corona. Doch auch auf anderen Kanälen werden Fehlinformationen geteilt. Insbesondere auf Youtube: Hier enthalte jedes vierte Video irreführende, ungenaue oder schlichtweg falsche Informationen, berichten Wissenschaftler der University of Ottaw in Kanada.
Das Internet ist Informationsbeschaffungsquelle Nummer 1, auch beim Thema Corona. Neben verlässlichen Quellen gibt es auch zahlreiche Seiten, die falsche Informationen verbreiten. Dies kann unbewusst geschehen, da Studien beispielsweise nicht aufmerksam gelesen wurden und nur als Zusammenfassung wiedergegeben wurden, oder weil eine Person ohne fachlichen Hintergrund Informationen aufgearbeitet, ohne das erforderliche Grundwissen zu besitzen. Fake-News können aber auch gezielt produziert werden. Häufig entstehen auch ungenaue oder verwirrende Aussagen, da der Zuschauer die Kernaussage nicht greifen kann. Zuletzt bietet auch das Feld der alternativen Heilmethoden eine große Bandbreite an möglichen falschen Aussagen – Beiträge und Videos über Homöopathie, CBD oder kolloidales Silber als Mittel gegen Corona sind einige Beispiele.
Kanadische Wissenschaftler wollten nun herausfinden, wie gut die Qualität der Informationen ist, und untersuchten hierfür Youtube-Videos. Ein wichtiges Problem seien die Reichweite und der User selbst – komplexe, wissenschaftlich korrekte Videos seien nicht beliebt. Videos ohne Animation oder von zu langer Dauer würden übersprungen, das optische Ansprechen sei wichtig, so die Wissenschaftler. Sie halten fest: Zwar sind genaue Informationen von Regierungsbehörden und Experten in guter Qualität auf Youtube weit verbreitet, ihre Klickzahlen sind jedoch häufig verhältnismäßig gering. Klicks ließen sich gut durch auffällige Startbilder und prägnante Titel generieren.
Bereits früher veröffentlichte Forschungsergebnisse zeigen, dass die Videoplattform bei Gesundheitsthemen wie der Schweinegrippe und den Ausbrüchen von Ebola und des Zika-Virus sowohl eine nützliche als auch eine irreführende Informationsquelle war. Seit Veröffentlichung dieser Studien habe sich die Nutzung sozialer Medien jedoch geändert, so die Forscher. Um die Genauigkeit und Qualität von Informationen auf Youtube aktuell zu bewerten, suchten die Wissenschaftler seit Ende März nach den am häufigsten angesehenen und relevantesten Videos. Duplikate in anderen Sprachen als Englisch wurden aussortiert, somit reduzierte sich die Anzahl der berücksichtigten Videos auf etwa die Hälfte.
Die Arbeitsgruppe beurteilte die Zuverlässigkeit und Qualität des Inhaltes jedes einzelnen Videos unter der Verwendung validierter Bewertungssysteme. Wie nützlich der Inhalt für den durchschnittlichen Betrachter sei, wurde anhand eines Covid-19-spezifischen Scores bewertet. Ein Score-Punkt wurde für ausschließlich sachliche Informationen zu folgenden Themen vergeben:
Videos von Fachleuten und Regierungsbehörden erzielten in Bezug auf Genauigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Qualität bei allen Maßnahmen eine signifikant höhere Punktzahl als alle anderen Quellen, wurden jedoch bei den Betrachtungszahlen nicht besonders hervorgehoben. Die Aufrufe für die 69 in die Analyse einbezogenen Videos summierte sich auf 257.804.146. Netzwerknachrichten machten mit 29 Prozent den größten Anteil der Aufrufe aus. Nachrichten von Verbrauchern landeten mit 22 Prozent auf dem zweiten Platz. Unterhaltungsnachrichten machten 21 Prozent der Aufrufe aus. Videobeiträge von Fachexperten waren mit 7 Prozent eher abgeschlagen. Einen noch kleineren Anteil der Aufrufe generierten Beiträge aus Bildungseinrichtungen und Regierungsbehörden mit jeweils 2 Prozent.
Positiv konnten die Wissenschaftler festhalten, dass über 72 Prozent der Videos nur sachliche Informationen enthielten. Irreführende oder ungenaue Informationen machte die Arbeitsgruppe somit in jedem vierten Video aus – 62.042.609 Aufrufe enthielten unzureichend belegte Informationen. Unter den 19 irreführenden Videos stammte rund ein Drittel aus Unterhaltungsnachrichten. Verbrauchervideos machten 13 Prozent der Gesamtzahl aus. Zu den irreführenden oder ungenauen Informationen gehörten zum Beispiel Aussagen darüber, dass Pharmaunternehmen bereits über eine Therapie verfügen, diese aber nicht verkaufen wollen, oder dass bestimmte Länder stärkere Virusstämme haben als andere. Darüber hinaus gehörten unangemessene Empfehlungen für die breite Öffentlichkeit, rassistische und diskriminierende Bemerkungen und Verschwörungstheorien zu den irreführenden Informationen. „Dies ist besonders alarmierend, wenn man die immense Zuschauerzahl dieser Videos berücksichtigt“, schreiben die Forscher.
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