FDA: Therapiedurchbruch für Zauberpilze Cynthia Möthrath, 19.12.2019 13:27 Uhr
Die Substanz Psilocybin aus Zauberpilzen, den sogenannten „Magic Mushrooms“, steht seit längerem im Visier der Wissenschaft. Bisherige Untersuchungen geben zahlreiche Hinweise darauf, dass der Inhaltsstoff bei Depressionen helfen kann. Nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA im vergangenen Jahr bereits eine Studie zu Psilocybin genehmigt hatte, soll die halluzinogene Substanz nun schneller erforscht und zugelassen werden – die Rede ist von einem „Therapiedurchbruch“.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die FDA die derzeit in klinischen Studien getestete Psilocybin-Therapie als „Durchbruch“ bezeichnet. Im vergangenen Jahr hatte die Behörde der Firma Compass Pathways eine Studie genehmigt, in der Patienten mit behandlungsresistenter Depression (MDD) mit dem Wirkstoff therapiert werden. Jetzt hat die FDA der Behandlung erneut den Status einer „Durchbruchstherapie“ verliehen: Diesmal für eine klinische Studie des Usona-Instituts in den USA.
Das Institut ist eine gemeinnützige medizinische Forschungsorganisation, die präklinische und klinische Forschung durchführt und unterstützt. An der Studie nehmen 80 Teilnehmer an sieben verschiedenen Standorten in den USA teil. Ziel ist es, die Sicherheit und Wirksamkeit einer Einzeldosis Psilocybin im Vergleich zu Placebo bei Patienten im Alter von 21 bis 65 Jahren mit MDD untersuchen. Durch die Kennzeichnung als Breakthrough-Therapie wird anerkannt, dass Psilocybin möglicherweise eine klinisch signifikante Verbesserung gegenüber bestehenden Therapien bieten kann. Psilocybin könnte mit einer Einzeldosis das Gehirn so beeinträchtigen, dass es nach der Besserung der depressiven Symptome dauerhafte Auswirkungen haben könnte.
Die Phase-II-Studie wird voraussichtlich Anfang 2021 abgeschlossen sein. Durch die Unterstützung der FDA könnte relativ schnell eine Phase III-Studie gestartet werden. „Wirklich bahnbrechend ist die Bewertung der FDA, dass MDD, und nicht nur die viel kleinere Population mit behandlungsresistenten Depressionen, einen ungedeckten medizinischen Bedarf hat und dass die verfügbaren Daten darauf hindeuten, dass Psilocybin eine wesentliche klinische Verbesserung gegenüber den bisherigen Therapien bieten kann“, sagte Dr. Charles Raison, Direktor für klinische Forschung bei Usona. In den USA gibt es mehr als 17 Millionen Menschen, die an einer schweren depressiven Störung leiden.
Zauberpilze sind psychoaktive Pilze, die die Indolalkaloide Psilocybin und Psilocin enthalten. Erstmals wurden diese Substanzen von Albert Hofmann, dem Entdecker des LSD, aus mexikanischen Rauschpilzen isoliert. Die Einnahme kann zu körperlicher Leichtigkeit und Energie, Euphorie und Freude führen. Die Wirkung ähnelt jener von LSD, ist aber von kürzerer Dauer. Deshalb werden sie missbräuchlich zu Rauschzwecken eingesetzt. Gegenwärtig erfahren die Alkaloide vermehrt pharmazeutische Beachtung, da sie Potenzial zur Behandlung von Depressionen und Angstzuständen besitzen und gut verträglich sind.
Psilocybin ist ein Prodrug und wird im Körper rasch zum Psilocin dephosphoryliert, der eigentlich psychoaktiven Verbindung. Untersuchungen zur Pharmakokinetik an Menschen zeigten, dass nach oraler Verabreichung auf nüchternen Magen Psilocybin in signifikanten Mengen innerhalb von 20 bis 40 Minuten im Plasma nachweisbar war. Die Substanz wird größtenteils über die Niere abgebaut. Psychische Effekte treten bei Plasmaspiegeln von 4 bis 6 mg/ml auf. Im vergangenen Jahr untersuchte eine Studie Pharmakokinetik und Sicherheitsprofil von Psilocybin in sequenziellen, eskalierenden oralen Dosen von 0,3, 0,45 und 0,6 mg/kg bei zwölf gesunden Erwachsenen. Da Psilocybin zu Psilocin abgebaut wird, ist ersteres weder im Urin noch im Plasma nachweisbar. Die Pharmakokinetik von Psilocin war innerhalb des zweifachen Dosisbereichs linear und die Eliminationshalbwertszeit betrug drei Stunden. Bei den untersuchten Probanden traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf.
Psilocin ähnelt dem Neurotransmitter Serotonin und ist ein Partialagonist mit hoher Affinität am 5-HT2A-Rezeptor. Es wirkt jedoch nicht wie LSD auf die Dopamin-Rezeptoren. Therapeutisch werden 5-HT2A-Rezeptorantagonisten heute als atypische Antipsychotika eingesetzt, beispielsweise Clozapin. Pilz-Halluzinogene scheinen daher als Antidepressivum nicht ungeeignet zu sein. Als Arzneistoff ist Psilobycin nicht neu: Das Alkaloid wurde unter dem Namen Indocybin (Sandoz) als kurz wirkende und verträgliche Substanz vertrieben. Es diente als Hilfsmittel zur Aktivierung des Unbewussten im Rahmen tiefenpsychologischer Behandlungen, musste später jedoch wieder vom Markt genommen werden.