Bei einer anaphylaktischen Reaktion muss es schnell gehen – ansonsten droht Lebensgefahr. Allergiker:innen tragen deshalb in der Regel einen Adrenalin-Autoinjektor (AAI) bei sich, damit im Ernstfall rechtzeitig gehandelt werden kann. Wichtig für die Wirkung ist, dass der Wirkstoff im Blut ankommt. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat in einer Studie untersucht, wie Adrenalin über die verschiedenen Autoinjektoren in das Körpergewebe eindringt – und ob bei Patienten mit einem hohem Haut-Muskel-Abstand (STMD) die systemische Verfügbarkeit des per AAI verabreichten Adrenalins möglicherweise verringert oder verzögert wird.
Die Verabreichung des AAI kann im Akutfall durch den Patienten oder die Patientin selbst oder durch andere Personen erfolgen. Der STMD ist deshalb wichtig, weil er durch die Injektionsnadel überbrückt werden muss – er wird wesentlich durch die subkutane Fettschicht bestimmt. „Bei Überschreiten eines bestimmten Wertes reicht die standardisierte Nadellänge des AAI gegebenenfalls nicht mehr aus, um eine Injektion in den Muskel sicher zu gewährleisten“, erklärt Fastjekt-Hersteller Viatris.
Die Studie sollte klären, ob bei Patienten mit einem hohem STMD die systemische Verfügbarkeit des per AAI verabreichten Adrenalins möglicherweise verringert oder verzögert wird. Denn im Ernstfall könnte dies ein Risiko darstellen. Für die Untersuchung holte der CHMP Unternehmen mit ins Boot, die AAI im Portfolio haben – konkret wurden in die Untersuchung Fastjekt und Epipen eingeschlossen. Dabei wurde die Wirkung eines AAI mit einer manuellen intramuskulären Adrenalin-Injektion verglichen – mit besonderem Fokus auf Patient:innen mit einer ausgeprägten subkutanen Fettschicht.
Die Studie konnte zeigen, dass es bei AAI selbst bei einem großen Haut-Muskel-Abstand zu einer schnellen Anflutung von Adrenalin im Blut kommt. „Die Wirkung ist damit weitgehend unabhängig vom Haut-Muskel-Abstand“, lautet das Resümee. „Mit dem AAI wurde bei allen in der Studie untersuchten Kohorten, die einen niedrigen bis hohen STMD aufwiesen, eine verlässliche und konsistente systemische Adrenalinversorgung erreicht“, erklärt Professorin Margitta Worm, Leiterin der Abteilung für Allergologie und Immunologie an der Charité Berlin. „Geklärt scheint, dass Adrenalin-Autoinjektoren auch für adipöse Patienten geeignet sind, um einer akuten Anaphylaxie effektiv entgegenzuwirken.“ Weitere randomisierte, prospektive Studien sollen die Ergebnisse bestätigen.
In der Studie wurde die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Adrenalin für unterschiedliche STMD untersucht. Dabei wurde Adrenalin entweder mit einem AAI (Fastjekt/Epipen) oder manuell durch eine Spritze verabreicht. Die Nadellänge war hier an den jeweiligen STMD angepasst. Insgesamt wurden 35 Teilnehmer zwischen 18 und 55 Jahren mit einem BMI zwischen 18 und 40 kg/m2 eingeschlossen. Der Haut-Muskel-Abstand wurde per Ultraschall ermittelt.
Die Probanden wurden in drei Kohorten aufgeteilt:
Jeder Proband erhielt in randomisierter Reihenfolge:
Zwischen den Injektionen lag eine Auswaschphase von 24 Stunden. Zu definierten Zeitpunkten wurden dann Blutproben für die Analyse genommen und die maximale Adrenalin-Plasmakonzentration (Cpeak), die Zeitspanne bis Cpeak (tpeak), die Fläche unter der Konzentrationszeitkurve (area under the curve, AUC) bis zur letzten messbaren Konzentration (AUC0–t) sowie die partielle AUC untersucht. Letztere wurde jeweils 6, 15 und 30 Minuten nach der Injektion ermittelt.
Es zeigte sich, dass die Verwendung des AAI zu höheren Cpeak-Werten als die manuelle IM-Injektion führte. Die maximale Plasmakonzentration wurde mit dem AAI nach 20 Minuten erreicht, manuell erst nach 50 Minuten. Die Gesamtexposition gegenüber Adrenalin war nicht beziehungsweise kaum erhöht. Eine Post-hoc-Analyse der partiellen AUC ergab während der ersten 30 Minuten nach der Injektion per AAI eine höhere frühe Adrenalinexposition als bei manueller Injektion. Nach 6 und 15 Minuten waren die Ergebnisse ähnlich.
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