Fastfood: Immunsystem im Alarmzustand Deniz Cicek-Görkem, 18.01.2018 09:10 Uhr
Dass eine gesunde Ernährung wichtig für die Förderung und Erhaltung der Gesundheit ist, ist bekannt. Wissenschaftler der Universität Bonn zeigen nun in ihrer Studie, dass der Konsum von Fastfood langfristig die Immunabwehr schädigt. Es kommt schneller zu Entzündungen, die dann letztendlich zu Diabetes und Arteriosklerose führen können.
Den im Fachjournal „Cell“ veröffentlichten Ergebnissen zufolge reagiert das Immunsystem auf eine fett- und kalorienreiche Kost ähnlich wie auf eine bakterielle Infektion – nämlich mit Entzündungen, die dann diverse Krankheiten fördern. Diese neuen Erkenntnisse gewannen die Wissenschaftler mithilfe von Experimenten an Labortieren: Mäuse wurden einen Monat lang auf eine ungesunde Diät gesetzt, die aus viel Fett, viel Zucker und wenig Ballaststoffen bestand, und danach analysiert.
Die Tiere, die eine ungesunde Nahrung erhalten hatten, wiesen einen hohen Entzündungswert auf, der fast mit den Werten einer Infektionen mit pathogenen Keimen übereinstimmte. „Die ungesunde Diät hat zu einem unerwarteten Anstieg einiger Immunzellen im Blut geführt. Das war ein Hinweis auf eine Beteiligung von Vorläuferzellen im Knochenmark am Entzündungsgeschehen”, berichtet Dr. Anette Christ vom Institut für Angeborene Immunität der Universität Bonn.
Um die Hintergründe besser zu verstehen, untersuchten die Forscher myeloide Zellen aus dem Knochenmark von Mäusen, die ungesunde oder gesunde Nahrung bekamen. „Genomische Untersuchungen zeigten tatsächlich, dass in den Vorläufer-Zellen durch die westliche Diät eine große Anzahl von Genen aktiviert wurde. Betroffen waren unter anderem Erbanlagen für ihre Vermehrung und Reifung“, erklärt Professor Dr. Joachim Schultze vom Life & Medical Sciences Institute (LIMES) der Universität Bonn und vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). „Fastfood führt also dazu, dass der Körper rasch eine riesige schlagkräftige Kampftruppe rekrutiert.“
Die Labortiere, die eine fett- und kalorienreiche Kost erhielten, bekamen danach vier Wochen lang arttypische Getreidekost. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die akute Entzündung zwar verschwand, aber die genetische Reprogrammierung der Immunzellen erhalten blieb. Nach diesen vier Wochen bemerkten sie, dass noch viele der Erbanlagen bei den Mäusen aktiv waren, die zuvor in der „Fastfood-Phase“ angeschaltet worden waren. „Wir wissen erst seit Kurzem, dass das angeborene Immunsystem über ein Gedächtnis verfügt“, erklärt Professor Dr. Eicke Latz, Leiter des Instituts für angeborene Immunität der Universität Bonn und Wissenschaftler am DZNE. „Nach einer Infektion bleibt die Körperabwehr in einer Art Alarmzustand, um dann schneller auf einen neuen Angriff reagieren zu können.“
Die Wissenschaftler untersuchten außerdem Blutzellen von 120 Studienteilnehmern und konnten den „Fastfood-Sensor“ in den Immunzellen identifizieren. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes Inflammasom – ein Sensor des angeborenen Immunsystems, der schädliche Substanzen erkennt und in der Folge Entzündungsmediatoren freisetzt. Das in der Studie identifizierte Inflammasom wird durch bestimmte Inhaltsstoffe aus Nahrungsmitteln aktiviert, was laut Latz langfristig epigenetische Veränderungen anstößt. „Das Immunsystem reagiert in der Folge schon auf kleine Reize mit stärkeren Entzündungsantworten.“
Darin sehen die Forscher ein Risiko in der Entstehung von Gefäßkrankheiten oder auch Typ-2-Diabetes, denn die Entzündungsreaktion trägt zum Wachstum von Gefäßablagerungen bei, die letztendlich zu Schlaganfall oder Herzinfarkt führen können. Diese Erkenntnisse haben Latz zufolge daher eine enorme gesellschaftliche Relevanz. „Die Grundlagen einer gesunden Ernährung müssen noch viel stärker als heute zum Schulstoff werden. Nur so können wir Kinder frühzeitig gegen die Verlockungen der Lebensmittelindustrie immunisieren, bevor diese langfristige Konsequenzen entfalten.“