FAQ: Immunsuppression und Impfen Alexandra Negt, 20.09.2021 13:09 Uhr
Seit dem Beginn der Corona-Impfungen ist das Thema Immunsuppression und Immunisierung wieder in den Fokus gerückt. Auch in der Apotheke fragen Patient:innen nach, ob sie trotz Chemo, MTX-Therapie oder Cortison-Einnahme eine Impfung in Anspruch nehmen sollten. Für einige dieser Betroffenen ist vor allem die dritte Impfung von Bedeutung. Ein Überblick von häufigen Patientenfragen.
Impfungen sind vielfältig. Auf die einzelnen Impfstofftechnologien und deren Einsatz bei Immunsuppression gingen Professor Dr. Reinhard Voll von der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie des Universitätsklinikums in Freiburg und Dr. Mirko Steinmüller, Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Infektiologie, im Rahmen des diesjährigen Rheumatologiekongresses ein.
Kann mit Vektorimpfstoffen geimpft werden?
Grob unterteilen lassen sich die Impfstoffe in Lebend- und Nicht-Lebend-Impfstoffe. Genau hier entsteht die erste wichtige Entscheidung, wenn es um die Impfung von Immunsupprimierten geht. Denn generell sollten diese nur mit Nicht-Lebend-Impfstoffen immunisiert werden. Eine Besonderheit stellen hier die Vektorimpfstoffe dar – sie können teilweise bei den Lebend- und teilweise bei den Totimpfstoffen eingeordnet werden. Die akuell zugelassenen Corona-Impfstoffe gehören alle zu den Nicht-Lebend-Impfstoffen. Dementsprechend besteht keine vollständige Kontraindikation bei immunsuppressiver Therapie.
Sind Infektionen für Immunsupprimierte denn wirklich so gefährlich?
Eine Aussage, die auf alle Betroffenen zutrifft, lässt sich sicherlich nicht treffen, doch die Gefahr von schweren Verläufen oder Hospitalisierungen ist bei einer bestehenden immunsupprimierenden Therapie erhöht. Voll erklärte, dass Infektionen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eine häufige Ursache für Morbidität und Mortalität sind. Bei jedem/r zweiten Patient:in mit rheumatoider Arthritis kommt es innerhalb von zwölf Jahren zu einer Hospitalisierung aufgrund einer schweren Infektion. Deshalb sollte man immer dann wenn es möglich ist impfen – nicht nur gegen Corona.
Welche Impfungen sind besonders wichtig?
Neben Weichteil- und Gelenksinfektionen kommen Pneumonien und Herpes Zoster besonders häufig vor. Sind die Patient:innen einmal in der Praxis oder Apotheke, lohnt sich ein Blick in den Impfpass. Gerade jetzt kommen die Betroffenen häufig mit Impfpass in die Offizin, sodass ein Check des Passes erfolgen kann. Für den bevorstehenden Winter kann man den Kund:innen den Tipp mitgeben, dass eine gleichzeitige Impfung gegen Grippe und Pneumokokken generell möglich ist. Eine Impfung gegen Herpes Zoster ist aufgrund der Impfstoffumstellung ebenfalls möglich. Der jahrelang applizierte Lebendimpfstoff wird nicht mehr verwendet und von der Ständigen Impfkommission (Stiko) auch nicht mehr empfohlen.
Ich bin noch jung, brauche ich trotzdem eine Herpes Zoster Impfung?
Fakt ist: Die Inzidenz für eine Herpes Zoster Infektion nimmt mit dem Alter zu. Das gleiche gilt auch für die gefürchtete Post-Zoster-Neuralgie (PZN). Hierunter versteht man die langanhaltenden Nervenschmerzen nach überstandener Infektion. Brennende, stechende und einschießende Schmerzen gehören zum klinischen Bild. Gleichzeitig zeigen einige Patientengruppen ein erhöhtes Risiko für eine Herpes-Zoster-Infektion, darunter Asthma-Patient:innen, Menschen mit Depression und Personen, die an rheumatoider Arthritis leiden. „Von allen Erkrankten erleiden rund 10 Prozent binnen zehn Jahren ein Rezidiv“, erläuterte Steinmüller. Die Entscheidung, ob eine Impfung indiziert ist oder nicht, lässt sich demnach nicht allein anhand des Alters treffen.
Bei welchen Arzneistoffen ist Vorsicht geboten?
Mittlerweile weiß man, dass immunsupprimierende Arzneistoffe die Wirkung von Impfstoffen unterschiedlich stark abschwächen. Personen, die Chloroquin oder Hydroxychloroquin aufgrund einer Lupus-Erkrankung einnehmen, müssen laut Voll keine verminderte Immunantwort erwarten. Auch bei MTX in niedriger Dosierung scheint eine Impfung vollumfänglich wirksam. Anders sieht das aus bei Cyclophosphamid – die Immunantworten sind hier zum Teil deutlich reduziert. „Diese Patienten sollten möglichst vor Therapiebeginn oder nach Therapieschluss geimpft werden. Ist dies nicht möglich, so sollte in der Mitte zwischen den Infusionen geimpft werden.“ Bei Azathipron, Mycophenolsäure und den JAK-Inhibitoren kommt es zu einer gemäßigt reduzierten Immunantwort.
Sind Corona-Auffrischimpfungen für mich dann nicht eh sinnlos?
Personen, die weder nach der ersten noch nach der zweiten Corona-Schutzimpfung einen ausreichenden Schutz aufbauen, sollten sich nicht generell von der Impfung abwenden. Erste Ergebnisse zeigen, dass einige Patientengruppen, darunter Dialysepatienten und Nierentransplantierte, von den Booster-Impfungen signifikant profitieren. Zudem besteht ein Unterschied zwischen der B- und der T-Zell-Antwort. Auch wenn nur eine T-Zell-Antwort vorliegt, so kann man davon ausgehen, dass eine Corona-Infektion milder verläuft als bei ungeimpften Personen, erläuterte Voll. Für alle Impfungen bei immunsupprimierten Patient:innen gilt: Wird eine verringerte Schutzwirkung erwartet, so sollte eine Titerkontrolle angeraten werden. Weitere Optionen sind zusätzliche Impfdosen (individuell je nach Schutzimpfung zu beurteilen) oder die Verwendung eines Hochdosisimpfstoffes (beispielsweise bei Grippe auch bei unter 60-Jährigen).
Was ist, wenn keine passive Impfung möglich ist?
Neben der aktiven Immunisierung besteht auch immer die Möglichkeit einer passiven Immunisierung. Hier werden entweder aufgereinigte IgG von Geimpften oder Genesenen verabreicht oder neutralisierende monoklonale Antikörper (nMAK). Seit geraumer Zeit stehen solche Antikörpertherapien auch zur Behandlung von Covid-19 in Deutschland zur Verfügung. Je früher diese Therapie begonnen werden, desto wirksamer sind sie.