Experten prüfen Rezeptpflicht für Paracetamol Désirée Kietzmann, 19.04.2011 17:15 Uhr
Seit zwei Jahren dürfen Paracetamol-haltige OTC-Arzneimittel in Deutschland nur noch maximal zehn Gramm des Analgetikums enthalten. Kritikern geht diese Beschränkung nicht weit genug. Professor Dr. Kay Brune, Direktor am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Erlangen und Mitglied im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht, will den Wirkstoff komplett der Rezeptpflicht unterstellen. Im Juli wird das Gremium beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen entsprechenden Antrag von Brune diskutieren. Die Hersteller sind gegen eine weitere Einschränkung.
Nach Ansicht von Brune entspricht Paracetamol nicht den Sicherheitsanforderungen, die heutzutage an ein OTC-Analgetikum zu stellen sind. „Paracetamol ist in vielen Fällen gar nicht oder nur schlecht wirksam, gleichzeitig aber bereits in geringen Mengen deutlich gefährlich“, sagt Brune. Er verweist auf Fälle, in denen es bereits bei therapeutischen Dosen zu schweren, akuten Leberschäden gekommen sein soll.
Auch die dauerhafte Einnahme von Paracetamol ist laut Brune nicht ungefährlich. Der mittel- und langfristige Gebrauch könne zu einer Steigerung des Blutdrucks und in der Folge zu einem erhöhten Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Studien aus Skandinavien, England und den USA wiesen zudem darauf hin, dass Paracetamol, während der Schwangerschaft angewendet, das Risiko für Asthma bei den später geborenen Kindern erhöhen könne.
Von einer generellen Rezeptpflicht für Paracetamol verspricht sich Brune, dass die Patienten die Risiken bewusster wahrnehmen. „Viele Menschen denken noch immer, Paracetamol sei harmlos, nur weil es auch bei Kindern zugelassen ist. Diese weit verbreitete Meinung muss korrigiert werden“, sagt Brune. Mit Ibuprofen und Diclofenac stünden deutlich harmlosere Alternativen für die analgetische Selbstmedikation zur Verfügung. Zumal bei diesen Wirkstoffen Überdosierungen nicht zum Tod führen könnten.
Beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sieht man aktuell keinen Handlungsbedarf, die Verfügbarkeit von Paracetamol weiter einzuschränken. „Es gibt keine neuen Daten, die eine Neubewertung der Substanz rechtfertigen würden“, sagt Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer des Bereichs Wissenschaft beim BAH. Bei bestimmungsgemäßem Einsatz sei Paracetamol ein sicherer Arzneistoff.
Dass Paracetamol das Asthmarisiko erhöhe, sei nicht bewiesen, so Kroth. Er bezieht sich auf eine Auswertung aktueller Studien durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA. Die Behörde hatte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft oder der frühen Kindheit und dem Auftreten vom Asthma bei Kindern gefunden.
Auf die bekannten Probleme sei bereits in der Vergangenheit durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen reagiert worden. So wurden die Angaben auf den Packungen und im Beipackzettel konkretisiert, um Überdosierungen zu vermeiden. „Spätestens mit der Beschränkung der Packungsgröße ist den sicherheitsrelevanten Punkten ausreichend genüge getan worden“, so Kroth.