Infektionskrankheiten

„Den Buschmoskito werden wir so schnell nicht los“

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Berlin -

Asiatische Buschmücken sind inzwischen auch in Süddeutschland heimisch. Im Interview erläutert Biologe Norbert Becker, warum die blutdürstigen Exoten im Anflug sind. Er ist Wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage (Kabs), die entlang des Rheins zwischen Bingen in Rheinland-Pfalz und Sasbach in Baden-Württemberg aktiv ist.

ADHOC: Erst kam das Hochwasser, jetzt der Hochsommer – ideale Voraussetzungen also für Mücken. Wie schlimm ist es denn?
BECKER: Bei uns im Kabs-Gebiet ist die Lage vergleichsweise harmlos, denn wir haben frühzeitig damit begonnen, die Mücken zu bekämpfen. Aber in den anderen Hochwassergebieten an Donau und Elbe kann man von einer massiven Plage sprechen. Dort wird man schon tagsüber von Hunderten Mücken überfallen und kann sich kaum noch im Freien aufhalten. Auch in der Kabs-Region ist dort, wo in diesem Jahr nicht bekämpft wurde, die Luft grau vor Mücken.

ADHOC: Die Kabs ist ja der einzige kommunale Zusammenschluss in Deutschland, der Mücken seit Jahren ganz gezielt bekämpft. Haben Sie nach dem Hochwasser viele Anfragen aus anderen Gebieten bekommen?
BECKER: Sehr viele Gemeinden entlang der Donau und aus den neuen Bundesländern haben uns um Hilfe gebeten. Mit einigen Donaugemeinden sind wir momentan noch in Verhandlungen. Allerdings ist es so, als würden Sie ein Feuerwehrauto bestellen, wenn es schon brennt. Bei uns stehen Hubschrauber bereit, wir haben den Wirkstoff gegen Mücken eingelagert. Wenn ein Hochwasser kommt, sind wir gerüstet. Das ist woanders nicht der Fall. Wir helfen jetzt anderen Gemeinden, eine solche Infrastruktur aufzubauen. Ich habe auch gehört, dass sich Kommunen an der Elbe in Ostdeutschland zusammenschließen wollen, ähnlich wie die Kabs.

ADHOC: Wetterextreme wie in diesem Jahr nehmen generell zu, und das begünstigt die Ausbreitung exotischer Arten in Deutschland. Gilt das auch für Mücken?
BECKER: Ja, aber das ist weniger auf den Klimawandel als auf die Globalisierung zurückzuführen. Hier kommt der globale Handel zum Tragen, vorwiegend mit Altreifen, die von anderen Kontinenten nach Europa transportiert werden. In die Reifen legen Mückenweibchen ihre Eier. Wenn sie dann mit Schiffen irgendwohin transportiert werden, die Container geöffnet werden, es regnet und Wasserpfützen entstehen, entwickeln sich Mücken zuhauf. So gelangen exotische Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke nach Italien und werden dann durch Reisende in andere Teile Europas gebracht.

ADHOC:Tauchen Tigermücken, Überträger exotischer Krankheiten wie dem Denguefieber, inzwischen auch in Deutschland immer öfter auf?
BECKER: Bei uns wird die Tigermücke immer wieder regelmäßig eingeschleppt, etwa durch Touristen, die am Gardasee Urlaub machen und dann über die Alpen zurückfahren. Hier kommt dann auch der Klimawandel ins Spiel: Wenn der Sommer so heiß ist wie jetzt, können sich Tigermücken auch bei uns vermehren. Wir haben erst letzte Woche wieder zwei Tigermoskitos zwischen Weil am Rhein und Breisgau-Ost gefunden.

ADHOC: Können solche Mückenarten auch heimisch werden?
BECKER: Wenn genügend Mücken eingeführt werden, und das Wetter passt, ja. Dann haben wir schnell die erste Generation. Und wenn es warm bleibt und sich diese Generation vermehren kann, haben wir schon eine sehr stabile Population. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Mückenart etablieren kann, sehr groß. Aber wir passen auf. Wir haben überall Fallen aufgestellt, und wenn eine solche Mücke entdeckt wird, wird sofort bekämpft. Wir werden jetzt auch in manchen Gemeinden in Baden-Württemberg gegen die Asiatische Buschmücke vorgehen.

ADHOC: Wie häufig kommen denn Buschmücken, die beispielsweise das West-Nil-Fieber übertragen, inzwischen in Deutschland vor?
BECKER: Asiatische Buschmücken haben sich im Süden Deutschlands schon etabliert. Etabliert hat sich eine Art, wenn sie drei Generationen in der freien Wildbahn hervorbringt. Die Asiatische Tigermücke hat das in Deutschland noch nicht geschafft. Sie tritt immer mal wieder auf, hat aber keine stabile Population. Doch den Buschmoskito werden wir so schnell nicht wieder los.

ADHOC: Wo haben sich denn die Buschmücken schon ausgebreitet?
BECKER: Buschmoskitos sind in ganz Baden-Württemberg gesichtet worden, etwa im Stuttgarter Raum und sogar im Schwarzwald. In ganz Deutschland hat sich diese Art bereits potenziell etabliert. In Rheinland-Pfalz haben wir sie bisher nur im Raum Koblenz gefunden, dort werden wir sie aber vermutlich nicht mehr los. Aber: Der Tigermoskito ist wesentlich gefährlicher als der Buschmoskito.

ADHOC: Und außerdem muss ja ein Wirt vorhanden sein, um Krankheiten wie das West-Nil-Virus zu übertragen, oder?
BECKER: Das schon, aber in Zeiten der Globalisierung sind die Leute in wenigen Stunden von Afrika oder Asien nach Frankfurt geflogen und können solche Erreger mitbringen. Man muss die Lage komplett im Auge behalten, allerdings ohne Panik zu verbreiten. Deutschland ist nicht völlig frei von solchen Krankheiten, aber wir haben hier keine afrikanischen Verhältnisse, wo jede Minute zwei Menschen an Stechmücken-bedingten Krankheiten sterben.


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